Das kanadische Trio BIG|BRAVE bezaubert und verstört mit seinem neuen, bereits siebtem Album einmal mehr. Je nach Gusto.
von Michael Thieme
Vielleicht auch beides gleichzeitig. Seit 2012 haben BIG|BRAVE bereits so Einiges veröffentlicht und ihren ureigenen Sound aus SloMo-Gitarrengewurschtel und fragilen Vocals mit zum Teil heftigen Inhalten verfeinert wie ständig weiter entwickelt. Personell kontinuierlich konstant bis auf die Position am Schlagzeug, können BIG|BRAVE inzwischen auf ein aufmerksames Nischenpublikum hoffen, dass bei den Multiplikatoren in der Presse, egal welche Genres dort hauptsächlich bearbeitet werden, ständig die Autor.Innen besprechen, die für die Randbereiche zuständig sind. Gerne würde ich in diesem Zusammenhang die hervorragende Plattenkritik von Melanie Aschenbrenner verlinken (Metal Hammer), doch im Gegensatz zu weitaus langweiligerem Kram dort ist ihr Text nicht online zu finden. Big fail, meiner Meinung nach. Doch zurück zum Thema.
Wer sich durch die mäandernden Gitarren von BIG|BRAVE hört entdeckt eigentlich – Folk
Bei ihrer Zusammenarbeit mit The Body (ebenfalls eine basslose Krachkapelle wie BIG|BRAVE, eigentlich) wurde das 2021 ja sehr deutlich gemacht: Mit traditioneller, akustischer Instrumentierung ist das gewiss auch für Lesende des Rolling Stone interessant – und das träfe ebenso zu auf „A Chaos Of Flowers“. Akustische Tupfer wie zu Beginn bei „Chanson Pour Mon Ombre“ illustrieren dies ab und an, doch meist (auch hier irgendwann) knallen die Klampfen, und zwar monströs. Nicht nur Vokalistin wie Autorin Robin Wattie tobt sich an dieser genau wie Kollege Matthieu Ball fulminant aus, nein: Mit Tashi Dorji sowie Marisa Anderson helfen noch ein paar Avantgardist.Innen mit. Der umtriebige Saxophonist Patrick Shiroishi sowie Seth Manchester am Keyboard sind weitere Gäste des Trios, welches seit 2019 von Tasy Hudson am Schlagzeug komplettiert wird.
Lyrisches von Frauen
Textlich holte sich Robin Watts Unterstützung von Lyrikerinnen der Vergangenheit, weil sie sich in Gedichten von Männern nicht wiederfand. “It is a feeling of relatability and even astonishment really,” beschreibt Wattie, “with how these writers of different standings and eras and all being female-presenting, each expressing these seemingly similar intense moments of individual experiences, of intimacy and madness. We’re alone, and yet, not.” Heraus kamen damit Klänge, die ähnlich einiger Werke der Swans minus deren toxischer Männlichkeit anmuten oder die, laut Melanie Aschenbrenner „delikat, porös und durchlässig“ wurden. Als Sound-Schwester im Geiste mag PJ Harvey spieltechnisch durchgehen, Robbie Krieger von den Doors klingt ebenso an („Moonset“). Großes Kino, das alles.
„A Choas Of Flowers“ von BIG|BRAVE erscheint am 19.04.2024 bei Thrill Jockey. (Beitragsbild: Pressefoto)