Big Thief live in Hamburg 2022 – Konzertreview

Big Thief live Hamburg 2022 Fabrik by Gérard Otremba Sounds & Books

Die New Yorker Indie-Folk-Rock-Band Big Thief überzeugt bei ihrem Auftritt am 01.07.2022 in der Hamburger Fabrik

Diese Band besteigt mit Siebenmeilenstiefeln den Thron des Indie-Folk-Rock-Königreichs. Fünf Alben in lediglich sechs Jahren haben Big Thief bereits veröffentlicht. Mit den 2019 erschienenen und auch von Sounds & Books rezensierten und von zahlreichen weiteren Kritikern gefeierten „U.F.O.F.“ und „Two Hands“ erfolgte der internationale Durchbruch in den Charts, bevor das New Yorker Quartett in diesem Jahr mit dem grandiosen Doppelalbum „Dragon New Warm Mountain I Believe in You“ nicht nur chartsmäßig, sondern auch musikalisch – was nach „U.F.O.F.“ und „Two Hands“ kaum möglich schien – eine Schippe drauflegte. Die ursprünglich für Februar geplanten Deutschland-Konzerte mussten pandemiebedingt verlegt werden, so dass Sängerin und Gitarristin Adrianne Lenker, Gitarrist Buck Meek, Bassist Max Oleartchik und Schlagzeuger James Krivchenia nun am 01.07.2022 in der Hamburger Fabrik gastierten.

Big Thief und ihre ultimative Indie-Rock-Hymne „Not“

Mit „Terminal Paradise“ vom Adrianne-Lenker-Solo-Album „Abysskiss“ begannen Big Thief das Konzert verhalten und wie auf Samtpfoten. In den folgenden 95 Minuten standen erwartungsgemäß die Songs der aktuellen Platte „Dragon New Warm Mountain I Believe in You“ im Mittelpunkt und sukzessive erhöhte die Band den Spannungsbogen ihres Auftritts. Die prächtigen Folk-Rock-Songs „Dried Roses“, „Certainty“ und „Cattails“ folgten hintereinander, und diese Kombination war schon ein absoluter Ohrenschmaus. Aber hernach spielten Big Thief ihre ultimative Indie-Rock-Hymne „Not“, samt Lenkers zwischen inniger Selbstverliebtheit und eruptiver Lautstärke changierendem Gitarrensolo auf gute acht Minuten genüßlich ausgedehnt. Das nennen ich mal einen gekonnten Setlist-Aufbau. Das ein oder andere Stück erfuhr live eine neue Wendung. Der Titeltrack des neuen Albums – dort ein filigraner Folksong – kam im Psych-Rock-Gewand mit Dekonstruktions-Charakter daher, während Big Thief das abschließende „Spud Infinity“ in der beschleunigten Version präsentierten.

Schön und bewegend

Den aber schönsten, bewegendsten und ergreifendsten Moment gelang mit „Promise Is A Pendulum“. Auf dem neuen Album geht es bei zwanzig Songs fast ein wenig unter, live indes, mit einem gefühlt ewigen Adrianne-Lenker-Intro auf der akustischen Gitarre, entfaltete das Lied all seinen melancholischen Folk-Liebreiz. Für eine Zugabe kamen Big Thief dann noch zurück auf die Bühne der Fabrik. Doch weder „Change“ (was sehr schade, weil wohl der schönste von vielen schönen Songs auf „Dragon…“) noch „Masterpiece“ (auch schade, weil erster großer Bandklassiker) standen auf dem Programm. Stattdessen ein beseelt-beherztes „Mary“ (gar nicht schade, weil ein klasse Song und darüber hinaus inbrünstig dargeboten). Ein überzeugendes Konzert mit Ecken und Kanten von einer Band, die konsequent ihren Weg geht. Weiter so.

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