Benedikt: Why Are You Dreaming?

Benedikt credit Kristoffer Eidsnes

Eine Band namens Benedikt? Jetzt bloß nicht von Papst-Assoziationen abschrecken lassen – dem norwegischen Indie-Folk-Ensemble gelingt mit seinem neuen Album nämlich eine der großen Überraschungen dieses Pop-Frühlings.

von Werner Herpell

Wenn Plattenfirmen mit dem Hinweis „Für Fans von….“ eine stilistische Orientierung geben, kommt manchmal ziemlich krudes Zeug dabei raus – man fühlt sich als Rezensent oder Hörer dann ganz schön hinter die Fichte geführt. Bei Benedikt, einem neunköpfigen Indiepop-Orchester aus Norwegen, ist das zum Glück anders. Hier werden Sufjan Stevens, Midlake und Elliott Smith als Bezugspunkte genannt – und das kommt hundertprozentig hin. Daher dürfen die Musiker – trotz des seltsamen Bandnamens, der zumindest den Schreiber dieser Zeilen unangenehm an einen

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erzkonservativen deutschen „Wir sind….“-Papst erinnert – sich gern dauerhaft in unseren Ohren einnisten.

Opulent, aber nie überladen

Benedikt Why Are You Dreaming? cover Koke Plate

Denn „Why Are You Dreaming?“, das nun als Vinyl und digital auch in Deutschland erschienen ist, übererfüllt geradezu die durch drei große Indie-Folkpop-Namen geweckten Erwartungen. Die Melodien und Arrangements sind dank der großzügigen Besetzung opulent und volltönend, ohne jemals allzu bombastisch oder überladen zu klingen, die sanften Vocals üben großen Charme und Liebreiz aus.

Der Titelsong beispielsweise wächst, ausgehend von einem zarten Gitarren-Intro und gewisperten Vocals, zu einer grandiosen Barock-Pop-Hymne mit „Hair“-Hippiechören und Streichern heran, ähnlich orchestral funktionieren der Opener „Forever“, „All Things End“ und „Blood Moon“. Andere Lieder wie „You Might Remember“ oder der (an Andy Shaufs jüngstes Meisterwerk „Norm“ erinnernde) Closer „How Did I Wind UpHere?“ suchen ihr Heil hingegen in der Reduktion und kommen damit ebenfalls ganz wunderbar ans Ziel.

Von Bergen nach Oslo

Benedikt sind aus einem Soloprojekt des Singer-Songwriters Hans Olav Settem hervorgegangen. Seine Geschichte geht so: Als junger Mann wuchs er weit weg von zuhause auf einem christlich-konservativen Internat (daher vielleicht der Bandname?) in der Fjord-Stadt Bergen auf, und als er dort rausgeworfen wurde, fand Settem Trost bei Musikern wie King Creosote, Elliott Smith und Vashti Bunyan. Nach seinem Umzug in die weltoffene Hauptstadt Oslo schloss er sich mit einer Gruppe alter und neuer Künstlerfreunde zusammen – die Band Benedikt war geboren.

Nach dem bereits sehr positiv aufgenommenen zweiten Album „Balcony Dream“ ist der Nachfolger nun eine textlich sehr persönliche , intime Platte über Gefühle von Einsamkeit in einer Kleinstadt geworden – Themen wie Einsamkeit, Erziehung und Trauer hat Settem offensichtlich aus seiner tristen Bergen-Phase gewonnen. Dass Benedikt dazu einige der schönsten Melodien des derzeit wieder üppig blühenden skandinavischen Indie-Pops erfunden und famos ausgepolstert haben, macht das Hörvergnügen perfekt.

Benedikt machen den Folk-Frühling schöner

Fazit: „Why Are You Dreaming?“ ist zweifellos eine der unerwarteten Überraschungen dieses Folk-Frühlings. Also bitte nicht von blöden Papst-Assoziationen abschrecken lassen.

„Why Are You Dreaming?“ von Benedikt erscheint am 28.04.2023 bei Koke Plate/Diger Distro & INGrooves. (Beitragsbild von Kristoffer Eidsnes)

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