Belle and Sebastian: Girls In Peacetime Want To Dance – Album Review

Die Schotten liebäugeln mit Disco-Trash-Pop, brillieren jedoch mit gewohntem Sixties- und Indie-Pop

von Gérard Otremba

Es ist die mit Abstand denkwürdigste Platte, die uns Belle & Sebastian in ihrer nunmehr fast 20-jährigen Karriere hinterlassen. Die schottische Band um Mastermind Stuart Murdoch, die sich nach einem französischen Kinderbuch benannte, jahrelang die Speerspitze des sogenannten Twee-Pop bildete und uns mit Alben wie Tigermilk, If You’re Feeling Sinister, The Boy With The Arab Strap und The Life Pursuit beseelt und entzückt zurückließ, macht jetzt unverfroren einen auf Party. Dagegen ist prinzipiell erst mal nichts einzuwenden und hat die Gitarre in „The Party Line“ noch einen gewissen Nile Rodgers-Chic, doch kleistern einem die Keyboards im unversöhnlichen 80er-Jahre-Beat die Ohren voll. Der Disco-Trash wird noch unheilvoller ausgerechnet beim so schönen Titel „Enter Sylvia Plath“.

In der haptischen Ausgabe des deutschen Rolling Stone Magazins wird Erasure als Referenz hinzugezogen, die Kollegen von wavebuzz strengen gar den Vergleich mit Modern Talking an. Und wer in den 80er-Jahren mit diesen Bands musikalisch sozialisiert wurde, hasst dieses Jahrzehnt zutiefst. Diese erschütternden Klänge nun ausgerechnet von Belle & Sebastian hören zu müssen, lässt einen ziemlich ratlos zurück und verprellt alteingesessene Bewunderer von Songs wie „The State I Am In“, „Judy And The Dream Of Horses“, „Lazy Line Painter Jane“, „Sleep The Clock Around“, „The Boy With The Arab Strap“ oder „Another Sunny Day“, nur um einige ihrer zahlreichen Pop-Perlen zu nennen. Dazu können die Mädels gerne alleine tanzen. Es sei denn, Stuart Murdoch meint das alles ironisch, dann lachen und tanzen wir mit. Auch der im Kern wunderschöne Song „Play For Today“ wird leider von mediokren Synthesizern flankiert.

Verdaut man jedoch den Schock dieser Songs, entfaltet Girls In Peacetime Want To Dance doch noch die Aura, die man sich von einem Belle & Sebastian-Album erhofft. „The Power Of Three“ und „The Everlasting Muse“ stimmen einen schon wesentlich hoffnungsfroher und der Eröffnungssong „Nobody’s Empire“ gehört zu den perfekten Jangle-Pop-Songs, für die wir die Glasgower so sehr lieben. „Allie“ und „The Book Of You“ sind herrlich erfrischende, euphorisch vorwärtstreibende Sixties-Pop-Rock-Nummern, auf die es sich gar prächtig tanzen lässt, ganz ohne den oben erwähnten Euro-Pop-Disco-Trash-Firlefanz. Im Indie-Folk-Pop von „Ever Had A Little Faith“ spenden Belle & Sebastian wieder gewohnt wärmenden Trost in der Einsamkeit und im sehnsüchtig verträumten „The Cat With The Cream“ finden wir Stuart Murdoch endlich zurück in der Bibliothek, denn dort gehört er hin, Bücher lesen, Gedichte schreiben und alles vertonen, das ist die Welt des unersetzbarsten Feingeistes im Popbusiness. Mit dem schwebenden „Today This Army Is For Peace“ ist der Friede mit Belle & Sebastian längst wieder geschlossen, die drei Disco-Club-Songs als schicksalhafte Laune und Verirrung abgetan, die Freude über ein neues Album hat obsiegt.

„Girls In Peacetime Want To Dance“ von Belle & Sebastian erscheint am 16.01.2015 bei Matador / Beggars.

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