Barre Phillips & György Kurtág jr.: Face à Face

Barre Phillips Face à Face Cover ECM Records

Der Kontrabassist Barre Phillips entfaltet auf dem Album „Face à Face“ gemeinsam mit Komponist György Kurtág eine magische Atmosphäre

Mit „End To End“ schloss sich 2018 ein Kreis für Barre Phillips. Genau 50 Jahre zuvor hatte der Kontrabassist mit „Journal Violone“ das erste Solo-Bass-Album überhaupt aufgenommen und sich fortan immer näher an die Grenzen des Ausdrückbaren vorgewagt. Die Ergebnisse seiner Reise fasste er auf „End To End“ zusammen – einem meisterlichen Album mit improvisierten Gefühlslandschaften, das Handwerk und Ausdruck perfekt kombinierte.

György Kurtág als kongenialer Partner von Barre Phillips

Barre Phillips Face à Face Cover ECM Records

Was sollte danach noch kommen? Der 1934 in San Francisco geboren Phillips schlägt mit „Face à Face“ kein neues Kapitel dieses Buches auf. Stattdessen spinnt er den Duo-Faden weiter, den er gemeinsam mit dem ungarischen Komponisten und Improvisator György Kurtág Jr. 2014 zu spinnen begonnen hat. Kürtág, der mit Synthesizern (u.a. Yamaha DX7 IIFD, Korg T3 und Roland JD 800) und digitalen Percussion arbeitet, ist der kongeniale Partner für Phillips, denn er überlässt Phillips die Führung und ergänzt und akzentuiert dessen Bassspiel. „Das erste Bild, das mir in den Sinn kommt, um die Art und Weise zu charakterisieren, wie ich mit Barre zusammenspiele, ist architektonisch”, sagt Kurtág in den Liner Notes des Albums.

“Ich habe es mit einem Musiker zu tun, dessen Spiel und Phrasierung sich ständig und auf eine absolut unvorhersehbare Weise verändert. Um mit seiner Musik in Beziehung zu treten, betrachte ich sie als ein sich bewegendes Individuum und errichte Zimmer aus Zeit und Raum um ihn herum. Räume, die sich selbst in ständiger Entwicklung befinden. Ich könnte auch sagen, dass ich einen Schatten erschaffe, den Schatten von Barres Kontrabass, von seinem Spiel… aber es ist ein dynamischer Schatten, in den ich ‘Attraktoren’ platziere, das heißt: Hinweise, Richtungen, die befolgt werden oder nicht, die aber dazu beitragen, die Intensität des Dialogs zwischen uns aufrechtzuerhalten”, so Kurtág weiter.

Erfahrungsgeleitete Virtuosität

Die Ausdrucksmöglichkeiten von Barre Phillips, der neben Jazzern wie Duke Ellington, Charlie Parker und Ornette Coleman auch Bartók, Schönberg und Strawinsky zu seinen Helden zählt, steigen durch den Einsatz der elektronischen Mittel spürbar an. Stücke wie „Two By Two“ oder „Chosen Spindle“ sind Paradebeispiele für ad-hoc entstandene atmosphärische Klanglandschaften, die nichts weiter wollen, als den wahrhaften Moment festzuhalten. Dass sich dabei trotz aller Abwesenheit von Muskelprotzigkeit eine enorme erfahrungsgeleitete Virtuosität zeigt, ist nebensächlich. Phillips zupft, streicht und dehnt die Saiten, Kurtág ergänzt und verfeinert die Ideen unaufdringlich, aber entschlossen.

Vor allem am Stück gehört entfaltet diese Veröffentlichung eine magische Atmosphäre. Wenn nach den letzten Tönen von „Forest Shouts“ Stille einkehrt ist es, als erwache man erinnerungslos aus einem Tagtraum.

„Face à Face“ von Barre Phillips erscheint am 19.08.2022 bei ECM Records. (Beitragsbild: Albumcover)

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