Die Bestzeit fest im Visier
Als halbwegs ambitionierter Hobbyläufer muss man sich Ziele setzen. Keine utopischen, aber im Bereich des Möglichen liegende und herausfordernde Ziele. Eins dieser Ziele ist, beim nächsten Marathon die Bestzeit zu unterbieten. Ein anderes, die ominöse Schallmauer von drei Stunden zu knacken. Bei einem persönlichen Rekord von 3:10:10 sind beide Ziele in Reichweite, die Bestzeit näher als die Drei-Stunden-Marke. Eine Verbesserung der Marathonzeit um zehn Minuten ist immer ein Quantensprung, in meinem Bereich wird die Luft auch immer dünner, das merke ich wohl. Nichtsdestotrotz fühle ich mich gerüstet, einen 16-Wochen langen Vorbereitungsplan zu absolvieren, der mich am Ende befähigt, ein sagenhaftes 4:15-Tempo über die Marathondistanz halten zu können. Ich kann es ja mal versuchen, wohl wissend, dass ich den viermonatigen Plan nicht exakt einhalten kann, das lässt mein Job als selbständiger Musikjournalist und Chef von Sounds & Books nicht wirklich zu, es fallen immer wieder Termine an, die gewisse Korrekturen im Trainingsablauf nach sich ziehen.
Aber ich bin trainingstechnisch gut durch den Winter gekommen, konnte mein Gewicht halten und teilweise sogar etwas reduzieren, was mir im Winter noch nie gelungen ist. Leider erwischte mich Anfang März nach zweijähriger Abstinenz ein grippaler Infekt, der drei Wochen Sportpause nach sich zog und kaum davon erholt, folgte im April ein schmerzhafter Hexenschuss. Also wieder eine Woche kein Sport und schon waren die abgenommenen zwei Kilo wieder deutlich sichtbar auf der Waage. Ich wiege momentan circa 62 Kilogramm, bei einer Körpergröße von 1,70 mit Hut ist das okay, aber jedes Kilo zählt, so dass ich bestrebt bin, mein Gewicht noch unter die 60 zu drücken. Es läuft sich dann einfacher und mein Körperfettanteil gibt die Reduzierung definitiv noch her. Da geht noch was.
Es ging bereits auch was im Training, denn die ersten beiden Wochen des Plans sind schon durch. Der Auftakt mit 42 Kilometer in Woche eins war ein recht lockerer. Aufgrund von privaten Terminen musste ich die drei Einheiten an drei aufeinanderfolgenden Tagen über die Bühne bringen, aber das Pensum mit 8×200 Meter auf der Bahn in jeweils 40 Sekunden, ein 16-Kilometer-Regenerationslauf im 5:30-Tempo sowie ein 12-KM-Dauerlauf in 5:00, den ich letztendlich mit einem Schnitt von 4:58 beendete (alles im vorgeschriebenen Pulsbereich), stellte auch ohne Ruhetag kein Problem dar. Während ich das Bahntraining bei Sonnenschein und angenehmen sommerlichen Temperaturen jenseits der 20 Grad abspulte, folgte anderntags ein fürchterlicher Herbsteinbruch in Hamburg mit Temperaturen unter 15 Grad und Dauerregen. Wäre nicht so schlimm gewesen, wenn sich der Regen kurz vor Ende des Laufes nicht für gut zehn bis zwölf Minuten in eine Sintflut verwandelt hätte. Hat er aber und ich war in Sekundenschnelle durchnässt und nur semiglücklich nach dem 16-KM-Jogginglauf. Da macht das Training nicht wirklich Spaß. Schon lange freute ich mich nicht mehr so sehr auf eine warme Dusche.
Die zweite Woche begann wieder mit dem Bahntraining, diesmal standen 10×200 Meter in jeweils 40 Sekunden auf dem Programm, die ich höchst souverän zwischen 38-42 Sekunden lief. Beim 12-KM-Dauerlauf musste ich mich bremsen, um das vorgeschriebene 5:00-Tempo zu halten, was mir auch gar nicht gelang, mit 4:55 lag ich deutlich darunter und das mit einem Durchschnittspuls von 129, womit ich laut Uhr bei 75 Prozent meiner maximalen Auslastung liege, wahrscheinlich ist der Wert aber sogar noch etwas niedriger. Den Plan also übererfüllt, was mir am gestrigen Samstag beim schnellen Dauerlauf nicht ganz gelang. Gefordert war ein 4:10-Schnitt auf die Distanz von 8 Kilometer, ich schaffte die Strecke im 4:12-Rhythmus. Diese Dauerläufe knapp unterhalb des gewünschten Wettkampftempos haben es schon in sich. Die Temperatur war gestern nicht zu warm, das Trainingsgelände im Hamburger Stadtpark nicht immer ganz flach, aber so weit weg war vom Plan war ich nun auch wieder nicht.
Nach noch nicht einmal fünf Stunden Schlaf war ich heute bereits um 5 Uhr wach, aus mir unerklärlichen Gründen war an ein Weiterschlafen nicht zu denken. Keine guten Voraussetzungen, um 18 Kilometer zu laufen. Zwar stand „nur“ ein Regenerationslauf im 5:30-Schnitt auf meinem Zettel, trotzdem geriet die nächtliche Erholung viel zu kurz. Die letzten drei, vier Kilometer fühlten sich dementsprechend komisch und schlapp an. Aber am Ende zeigte mein Zeitmessgerät doch exakt wieder die 5:30 als Schnitt an, bei einem Puls von 112 (65 %). Auch wenn ich mich in der Zwischenzeit an dieses Regenerationstempo scheinbar gewöhnt habe, muss ich mich immer sehr zusammenreißen, um diese Langsamkeit genießen zu können, ist mein normales Dauerlauftempo außerhalb der Marathonvorbereitung meist etwas schneller. Oder ich muss aufpassen, nicht in einen zu langsamen, einschläfernden Rhythmus zu verfallen, der zu Unvorsichtigkeit führt. Aber es hat ja funktioniert.
Also alles noch sehr geschmeidig zur Zeit, aber ich weiß natürlich, dass diverse Trainingsklippen erst noch vor mir liegen und ich weiß auch, dass ich einige davon nicht bewältigen werde. Doch egal, ob in Berlin „nur“ das Minimalziel einer neuen Bestzeit, oder der große Wurf unter die drei Stunden gelingt, das herausfordernde Training tut jetzt schon gut. Und Steigerungen von über 13 Minuten und über sieben Minuten von Marathon zu Marathon sind mir nicht unbekannt. Liegen zwar ein paar Jahre zurück, und ich werde nicht jünger, aber immer fitter und schneller, wie die Verbesserung meiner 10-KM-Zeit unter die 40-Minuten-Marke vom letzten Jahr zeigt. Ich bin einfach mal mutig mit dem Trainingsplan, dann kann ich mir hinterher wenigstens nicht vorwerfen, nicht alles versucht zu haben. To be continued… (Beitragsbild: Oliver Schwarz, Hamburger Sportclub)