Beste literarische Unterhaltung: Arno Frank lädt in seinem zweiten Roman „Seemann vom Siebener“ zu einem Tag im Freibad ein
Bereits mit seinem auch von Sounds & Books rezensierten Debütroman „So, und jetzt kommst du“ konnte Arno Frank begeistern. Seine autobiographisch durchtränkte Familiengeschichte der anderen Art hatte Esprit, Charme, Witz und Tempo und gehörte zu den erfreulichen literarischen Debüts des Jahres 2017. Bis auf das Tempo – auch, weil völlig unbedeutend für den Plot – treffen die Attribute auf „Seemann vom Siebener“ ebenfalls zu. Nun also eine rein fiktive Erzählung, aber Arno Frank triggert mit einem sommerlichen Tag im Freibad und schaltet scheinbar mühelos das Vorstellungsvermögen seiner Leser an.
Ein fiktiver Ort in der Pfalz
Ein letzter heißer Sommertag also im Freibad des fiktiven pfälzischen Ortes Ottersweiler bildet den Rahmen für Franks neuen, von zahlreichen liebenswert-schräg-schrulligen Figuren bevölkerten Roman. Figuren, die wie Puzzlesteine das ganze Bild ergeben. Der berühmte Fotograf Lennart hat sich auf den Weg aus den USA in die heimatliche Provinz gemacht. Sein Jugendfreund Max ist gestorben, die Beerdigung soll am Nachmittag stattfinden. Im Freibad trifft er auf Josefine, in die er zur Schulzeiten verknallt war, die aber mit Max zusammen war, den sie später geheiratet hat. Die Ehe ging in die Brüche, jetzt weiß Josefine gar nicht, ob sie überhaupt zur Beerdigung gehen soll. Im Verlauf des Tages treffen sie auf ihre ehemalige Lateinlehrerin Isobel Trautheimer, deren verstorbener Mann als Architekt einst der Ideengeber für das Freibad war, die täglich ihre Bahnen schwimmt, sich in Erinnerungen verliert, aber ihre Ex-Schüler nicht mehr so wirklich wiedererkennt.
Arno Frank verknüpft die Stränge
Und wie zur Schulzeiten gehört auch Kiontke, der von Renate am Kassenhäuschen heimlich verehrt wird, als Bademeister noch immer zum Freibadinventar. Kiontke erlebte einmal einen Unfall mit Todesfolge, letztendlich immer noch traumatisiert, hat er trotzdem in seinem Job weitergemacht. Die höchste Stufe des Sprungbretts, der Siebener – eigentlich sind es sogar siebeneinhalb Meter – ist seitdem gesperrt. Sukzessive dort hinauf möchte aber eine wohl in der mittleren Pubertät steckende, zu Depressionen neigende, namenlose Protagonisten, für die Arno Frank erzähltechnisch in die Ich-Perspektive wechselt. Skeptisch begleitet von ihrem Bruder will sie dort, wie schon vom Dreier und Fünfer, den „Seemann“ vollführen, einen schwierigen Kopfsprung mit hinter dem Rücken gehaltenen Armen. Fast beiläufig, aber wie von einer magischen Hand geführt, verknüpft Arno Frank die Stränge aller miteinander in Verbindung stehenden Personen.
Über den Tellerrand hinaus
Und so träge und verlangsamt die Zeit an einem warmen Sommertag im Freibad gefühlt auch sein kann, so lebendig und liebevoll zeichnet der 1971 in Kaiserslautern geborene Autor und Journalist seine Figuren. Die bis in die Nebenrollen stimmig von Frank beschrieben werden, man schaue sich nur die Passagen mit dem kriegstraumatisierten Ali genauer an, der mit seiner Kindergartentruppe ebenfalls den Tag im Freibad verbringt. Hier sowie in den Abschnitten um die ungewisse Zukunft des Freibads verlässt Arno Frank die individuelle Ebene und schaut über den Tellerrand des von ihm geschaffenen, modernen, gesellschaftlichen Biotops. Ein Sommeridyll mit Rissen also, aber auch mit humorvollen Dialogen, mit lakonischem Erzählstil und einem spannenden Showdown am Ende. Ein wunderbarer Roman über Verlust, Liebe, Freude und Leid. Von Arno Frank wird man literarisch bestens unterhalten.
Arno Frank: „Seemann vom Siebener“, Tropen bei Klett-Cotta, Hardcover, 240 Seiten. 978-3-608-50180-3, 24 Euro. (Beitragsbild von Bernd Hartung)