Arno Camenisch: Die Welt

Pressebild Arno Camenisch credit Janosch Abel

Ein feinsinniger neuer Roman einer im Aufbruch befindlichen Welt des Schweizer Schriftstellers Arno Camenisch

Nacht etlichen Romanen im Engeler-Verlag nun der Wechsel zu Diogenes. Der Kurz-Prosa bleibt Arno Camenisch indes treu. In fast jährlich veröffentlichten und knapp gefassten Büchern beschrieb Camenisch über den Zeitraum von kaum mehr als einer Dekade das Leben im heimatlichen Schweizer Dorf Tavanasa. Zuletzt erschien 2021 das auch von Sounds & Books besprochene „Der Schatten über dem Dorf“. Dort verlässt die Hauptfigur am Ende mit dem Auto das Dorf und erkundet möglicherweise die Welt.  Seinen neuen, „Die Welt“ betitelten Roman erzählt Arno Camenisch aus der Ich-Perspektive seines Protagonisten.

Das Gefühl absoluter Freiheit

Arno Camenisch Die Welt Cover Diogenes Verlag

Dieser, adäquat zum Autor, bald 44-Jährige steht im Januar 2022 auf dem Balkon seiner Wohnung, sieht auf  einen See, stellt die Veränderung der Welt bereits im ersten Satz fest und erinnert sich an seine Fernreisen als 23-Jähriger zu Beginn der Nuller-Jahre. Es sind Erinnerungen an das Gefühl absoluter Freiheit und dem Hunger nach Leben. Einsamkeit und die Unverbindlichkeit des Jungerwachsenendaseins sind die Begleiterscheinungen dieses Ausbruchs aus alten Fahrwassern. Hongkong, Australien, Südamerika und schließlich Spanien, inklusive Unterbrechungen in Chur, sind die Ziele des Ich-Erzählers, der diese Zeit als Übergangsphase vor dem Eintritt ins ihm damals viel zu beengt erscheinende bürgerliche Leben versteht. Freiheiten genießen, sich sorgenlos treiben lassen, neue Möglichkeiten der eigenen Existenz ausloten, in vielerlei Hinsicht betreibt Camenischs Erzähler ein Manifest des „Carpe diem“.

Nine-Eleven, der Jahrhundertsommer 2003, Erdbeben in Südamerika, die digitale Revolution, Erderwärmung und Klimawandel gehören genauso zu den behandelten Themen des Romans wie der Veränderungsprozess des Protagonisten, der sich als Erzähler immer mal wieder von seinem Balkon aus zu Wort meldet.

Arno Camenisch erinnert an Andreas Maier

Als Parallel-Story zu den vielen Reisen flicht Arno Camenisch die Krankheitsgeschichte der Mutter seiner Figur ein, die als Hauptstrang in dessen Schweizer Zeit fungiert. Es passiert sehr viel in Camenischs Roman, vielleicht etwas zu viel in der Knappheit der lediglich 130 Seiten. Auf der Strecke bleibt dabei die Tiefenschärfe bei der Beschreibung der auf den reisen getroffenen Personen. Auch die permanenten  Wiederholungen sind etwas enervierend. Andererseits gelingen dem 1978 in Tavanasa, Graubünden, geborenen Schriftsteller sehr schöne lakonische, teilweise an Andreas Maier erinnernde Passagen. Vielleicht musste da einer in die Welt hinaus, um wieder ganz bei sich anzukommen und in eine neue Zeit aufzubrechen. Und vielleicht befindet sich Camenisch mit diesem Buch in einer Übergangsphase. Ein feinsinniger Roman einer im Aufbruch befindlichen Welt gelingt ihm aber dennoch. 

Arno Camenisch: „Die Welt“, Diogenes, Hardcover, 138 Seiten, 978-3-257-07220-4 , 22 Euro. (Beitragsbild von Janosch Abel)

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