Ein Album irgendwo zwischen Indie-Folk und modernem Mainstreampop: Arliston suchen auf ihrem Debüt noch nach sich selbst
von Sven Weiss
Ein Geräusch, als ob jemand einen Schalter bedient, im Hintergrund ein Sirren, dann schleicht sich langsam – fast schüchtern – ein Piano ein. Arliston bauen im Opener ihres Debütalbums eine wunderbare Bühne, die Sänger Jack Ratcliffe nach wenigen Sekunden selbstbewusst betritt. Hat er doch einen wahren Trumpf in der Hinterhand, oder besser gesagt: in der Kehle. Der Mann hat die Fähigkeit, mit seiner Kopfstimme den Hörer ganz tief zu berühren. Und das zelebriert er in ebenjenem „What Did I Think Would Happen“ genüsslich. Es funktioniert. Stück für Stück steigert sich der Song: Ein dumpfes Schlagzeug kommt hinzu, verträumte Gitarren und sogar Bläsersounds. Wohldosierte Dramatik, die gleich zu Beginn des Albums maximalen Gänsehautfaktor auffährt. Schwer vorstellbar, dass dieser Song Fans von Bon Iver oder auch The National gleichgültig lässt.
Britischer Kuschelrock mit Arliston
Der zweite Track „Monks Of Lindisfarne“ baut auf einem fast beschwingten Gitarrenmotiv auf, Ratcliffe bleibt in seinem Gesang jedoch eher adagio. Man könnte sich an Ben Howard erinnert fühlen. Doch irgendwann biegt der Song ab, die – je nach Hörerkreis – so geliebten bzw. verhassten Autotune-Effekte ertönen. Wer nach dem dramatischen Einstieg ein schwermütiges Songwriteralbum erwartet hat, sieht sich getäuscht. Aber was ist es dann?
Es scheint als ob Arliston das selbst nicht so recht wissen. Und so changiert „Disappointment Machine“ irgendwo zwischen Indie-Folk und modernem Mainstreampop, ohne zu sehr in eine Richtung zu kippen. Was ja per se nicht schlecht sein muss. Doch hat man das Gefühl, Arliston gehen nie den ganzen Weg. Die sanften Melodien kuscheln sich ins Ohr, das Klavier ist geschmackvoll von weichen Synthesizerflächen umgeben, und die Gitarren sind nie aufdringlich. Vielleicht wäre jedoch etwas Aufdringlichkeit manchmal ganz gut. Ein paar Ecken und Kanten hier und da, die verhindern, dass die Aufmerksamkeit abschweift. Und das Album seinem Namen allzu gerecht wird.
Mehr James Bond bitte: Eine Band auf der Suche nach ihrer Identität
„Disappointment Machine“ ist in nur zwei Wochen entstanden. Heutzutage eher ungewöhnlich für ein Debüt. Vielleicht hätte sich das britische Duo – neben Ratcliffe gehört dazu George Hasbury (Gitarre, Produktion) – etwas mehr Zeit gönnen sollen. Nicht, um den Sound noch auszuarbeiten, denn der ist äußerst gut gelungen. Doch, um den Schritt davor zu machen und die eigene Identität noch besser auszuformulieren. Immerhin, Selbstironie beweisen Arliston. So heißt es in „Sleep Well Bean”: „I was not James Bond I was never James Dean … I was Mr. Fucking Bean”. Bei ihrem nächsten Projekt dürfen Arliston dann gerne etwas mehr 007 wagen.
„Disappointment Machine“ von Arliston erscheint am 07.02.2025 bei Sob Story Records. (Beitragsbild-Credit: Arliston)