Anouar Brahem live in Hamburg – Konzertreview

Anouar Brahem Fotocredit Marco Borggreve

Das Jazz-Quartett um den tunesischen Oud-Virtuosen Anouar Brahem verzückt die Besucher der Hamburger Elbphilharmonie

Sie wollten sie gar nicht gehen lassen. Gleich drei Mal applaudierte das Publikum in der imposanten Elbphilharmonie das Quartett zurück auf die Bühne. So lange, bis sämtliche Stücke des bislang einzigen, auch bei Sounds & Books besprochenen Albums „Blue Maqams“ sowie zwei neuere Kompositionen gespielt waren. Danach: Strahlende Gesichter und angeregter Austausch unter den Besuchern im ausverkauften Rund über den soeben verlebten Konzertabend.

Und was für ein Abend das war. Pünktlich um 20 Uhr betritt das Quartett am 15.04.2018 – zuerst der tiefenentspannte Drummer Jack DeJohnette, dann Pianist und Paradiesvogel Django Bates sowie Bassistenlegende Dave Holland und schließlich Anouar Brahem selbst – die Bühne. In der Luft liegt eine Erwartungshaltung zwischen Spannung und Vorfreude, die man förmlich greifen kann. Können die atmosphärisch dichten Stücke, die arabische Musik mit der Philosophie des Jazz – oder wie vielfach formuliert Orient und Okzident – auf nie gehörte Weise vermählen, die Bühnentaufe bestehen? Sie können. Und wie.

Schon mit den ersten Klängen von „Opening Day“ verwandelt das Quartett den Saal in einen intimen Club. Es ist erstaunlich, mit welcher Achtsamkeit die vier Musiker zu Werke gehen. Holland begleitet die Stücke sensibel und nutzt die ihm zugeteilten Freiräume für sein berühmtes melodisches Spiel. DeJohnette, der überwiegend mit Filzköpfen bezogene Sticks nutzt, verblüfft mit seinem unaufgeregten und tighten Drumming und erntet frenetischen Szenenapplaus beim einzigen Solopart in der Mitte des Sets. Zum stillen Star des Ensembles avanciert der bemützte Pianist Bates, dessen lyrischer Anschlag perfekt mit Brahems wehklagender Oud harmoniert.

Trotz aller Virtuosität des Quartetts wirkt es niemals steril oder routiniert. Im Gegenteil: An manchen Stellen erscheint es gar unrund, gewinnt dadurch aber umso mehr an Ausdruck und Gefühl. Die Musiker spielen immer wieder mit geschlossenen Augen, suchen und finden sich. Es herrscht eine tiefe Verbindung unter den Mitgliedern. Das kann man hören. Und sehen: Zwischen den Stücken lächeln sie sich zu und nicken anerkennend. Worte verlieren sie an diesem Abend keine. Bis auf eine kurze namentliche Vorstellung der Mitmusiker bleibt Brahem stumm. Es spricht die Musik.

Besonders ergreifend geraten „La Passante“, „The Recovered Road To Al-Sham“ sowie das Titelstück. Am Ende aber ist es das Kollektiv, die Gesamtheit, die diesen Abend so besonders macht und noch lange nachwirkt. „Andere durften Jimi Hendrix und Miles Davis sehen, ich war dabei, als Anouar Brahem أنور براهم mit seiner unglaublichen Band (DeJohnette! Holland! Bates) in Hamburg war“, schrieb ein Freund im Anschluss an das Konzert. Was soll man da noch hinzufügen?

(Beitragsbild: Anouar Brahem, Fotocredit Marco Borggreve)

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