AnnenMayKantereit: 12 – Albumreview

AnnenMayKanetereit Credits Martin Lamberty

Das Corona-Album von AnnenMayKantereit hinterlässt einen unausgegorenen Eindruck

Innerhalb kürzester Zeit haben sich AnnenMayKantereit zu Superstars der deutschen Songwriter-Pop-Szene gemausert. Bereits mit dem Debütalbum „Alles Nix Konkretes“ (2016) stürmten die Kölner an die Spitze der hiesigen Charts, Goldstatur brachten die Verkäufe des Nachfolgers „Schlagschatten“ zwei Jahre später ebenfalls. Der Hype um Sänger, Pianist, Gitarrist Henning May, Gitarrist Christopher Annen und Schlagzeuger Severin Kantereit war so groß, das dieses Jahr sogar eine ausverkauftes Konzert auf der Hamburger Trabrennbahn auf dem Programm stand. Aber dieses Jahr war alles anders, weil die Corona-Pandemie alle Live-Pläne durchkreuzte und auch AnnenMayKantereit (AMK) mussten ihre Tour im März frühzeitig beenden.

Aus dem Schockzustand heraus geschrieben

AnnenMayKantereit 12 Cover Irrsinn Records

Mit ihrem dritten, überraschend ohne Ankündigung veröffentlichten Album „12“ versucht das Trio, die Gefühlslage der letzten Monate einzufangen. Ein Corona-Lockdown-Album, aus dem Schockzustand heraus geschrieben, dessen unfertige Skizzenhaftigkeit ins Auge sticht. Diverse Songs werden angerissen und enden abrupt, der markante Piano-Sound bleibt häufig verhallt. In der Pressemitteilung wünschen sich AnnenMayKantereit, das Album möge durchgehend an einem Stück gehört werden. Ein Gegenstrom zum grassierenden Streaming-Trend, aber wünschenswert für alle Alben. Für die neue AnnenMayKantereit-Platte natürlich konzeptuell bedingt. Ein von der Band grob in drei Teile gegliedertes Album, das düster beginnt, sich mittig ein paar hoffnungsfrohe Songs gönnt und am Ende in Schwermut versinkt.

Die Gegenwartsbewältigung von AnnenMayKantereit

Die Aussage „So wie es war, so wird es nie wieder sein“ zieht sich als Mantra durchs Album. Es ist nicht mehr fünf vor zwölf, es ist 12 Uhr, eine neue Zeit auf der Menschenuhr. AMK beschwören eine trostlose Stimmung in ihrer „Gegenwartsbewältigung“. Corona ist da „berühmter als der Mauerfall und Jesus zusammen“ und Hoffnung kann uns Henning May auch nicht verkaufen. Einige Songs wie eben „Gegenwartsbewältigung“, das eindringliche „Zukunft“, das schwer melancholische „Das Gefühl“, oder „Die letzte Ballade“ funktionieren im Kontext sehr gut, einige andere wie das zum Teil spanisch gesungene „Paloma“, das jamartige „Spätsommerregen“ oder das dann doch hoffnungsfrohe, im Unplugged-Modus eingespielte „Ganz egal“ eher weniger. In „Die letzte Ballade“ packt Henning May von der Klimakatastrophe bis zu Terrorangst dann noch alle relevanten Themen außerhalb Coronas in seinen kurzen Text. Insgesamt hinterlässt „12“ einen eher unausgegorenen und diffusen Eindruck.

„12“ von AnnenMayKantereit erscheint am 27.11.2020 bei Irrsinn. (Beitragsbild von Martin Lamberty)  

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