Angel Olsen: All Mirrors – Albumreview

Angel Olsen by Cameron McCool

Angel Olsen changiert auf „All Mirrors“ zwischen Schwermut und Wall-of-Sound

Was als filigraner Lo-Fi-Indie-Folk-Rock begann und zuletzt 2016 auf dem auch bei Sounds & Books besprochenen Album „My Woman“ im Pop mündete, erfährt nun eine erneute Stiländerung. Oder doch zumindest eine Weiterführung in bisher fremdes Terrain. Der geschätzte Kollege Sebastian Meißner schrieb über „My Woman“, Angel Olsen klinge wie die „aufmüpfige Tochter von PJ Harvey und Kylie Minogue“. Auf ihrem neuen Longplayer hört sich der Klangkosmos der 32-jährigen amerikanischen Sängerin und Songwriterin mehr nach Björk und der neuen Sharon Van Etten an, die sich bei „Remind Me Tomorrow“ auf für sie bis dato ungewöhnliche Synthieflächen und schwere, düstere Drums einließ.

Dramatische Songs von Angel Olsen

Angel Olsen All Mirrors Cover Jagjaguwar

Olsen, die dieses Jahr bereits als Sängerin auf Mark Ronsons aktuellem Album „Late Night Feelings“ Akzente setzte, beginnt ihre neue Platte mit „Lark“, einem sechsminütigen, überwältigenden wie durchaus sperrigen, opulenten und pathetischen Koloss von Song. Ein irrer Wall-of-Sound aus Synthies, Drums und orchestralem Überbau aus Violinen, Violas und Cellos, der die leisen, feingeistigen und sakralen Passagen mit einer ungeheuren Vehemenz niederringt. Die Synthie-Electro-Schiene mit orchestralem Feinschliff spinnt Angel Olsen mit dem bei Sounds & Books als Song des Tages vorgestellten Titeltrack „All Mirrors“ fort. Düsterer, aber edler Gothic-Pop. Mehr Licht spendet das ohne Streicher aufgenommene „Too Easy“, doch erst im zwischen Dream- und Baroque-Pop changierenden „Spring“ mischt sich eine gewisse Leichtigkeit in Olsens Arrangement. Das von ihrem barmendem Gesang getragene „Summer“ hat Ohrwurmqualität, dazwischen liegen drei gewichtige, vor keinem Drama haltmachende, wiederum orchesterverstärkte Songs, die erhabene („What It Is“), verstörende („Impasse“) und elegische („Tonight“) Wirkung hinterlassen.

Ein facettenreiches und introspektives Album

Zunächst nahm Olsen die Songs in ihrer Reinform auf, erst in der Zusammenarbeit mit Produzent John Congleton merkte sie, dass sie das Material von „All Mirrors“ in seiner „härtesten Form“ veröffentlichen müsse. Dass es aber nicht immer nur ein bombastischer Sound sein muss, beweist Olsen ganz zum Schluss. Die traurige Ballade „Endgame“ – neben den obligatorischen Streichern kommen Trompete, Posaune und Flügelhorn zum Einsatz – gehört zu den schönsten Schwermütern des Jahres, und auch das abschließende „Chance“ suhlt sich in edler Melancholie. Ein vielfältiges und introspektives Album über das Thema Liebe in all ihren Facetten.

„All Mirrors“ von Angel Olsen erscheint am 04.10.2019 bei Jagjaguwar (Beitragsbild von Cameron McCool).         

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