In seinem Heimat-Bundesstaat Pennsylvania entscheidet sich im November womöglich die US-Wahl. Der Folkrocker Amos Lee liefert einen Soundtrack für Empathie und Zuversicht.
von Werner Herpell
Zuletzt hatte Amos Lee sich mit einer tiefen Verbeugung vor der großen Dame des US-Countryrock dazu bekannt, wem er als Singer-Songwriter besonders viel zu verdanken hat. „Honeysuckle Switches (The Songs Of Lucinda Williams)“ war ein feines Tribute-Album, dem man die Anbetungsgeste freilich so sehr anhörte, dass das eigene Profil des Mannes aus Philadelphia fast dahinter zu verschwinden drohte. Das ist nun auf „Transmissions“ ganz anders.
Über Mauern, die fallen müssen
Hier erweist sich
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Lee als einer der herausragenden Americana-Künstler seiner Generation, mit zwölf Liedern zwischen folkiger Melancholie, souliger Inbrunst und rockiger Aufbruchstimmung. Der Opener „Built To Fall“ gehört sogar zu den besten Tracks in der vor rund 20 Jahren gestarteten Karriere des Sängers und Gitarristen. Fast sechs Minuten lang hört man gebannt einem an Bob Dylan gemahnenden Wortschwall zu, und es schadet angesichts von prachtvollen Streichern und Chorgesängen gar nicht, dass das Lied weitgehend ohne einprägsamen Refrain auskommt. „Walls were built to fall“, so lautet das hoffnungsvolle Fazit, das wohl indirekt auf den Kampf gegen (und den Sieg über) das spalterische orangefarbene Böse hinweist, der sich in diesem US-Wahlkampf-Herbst möglicherweise in Lees Heimat-Bundesstaat Pennsylvania entscheiden wird.
Auch „Beautiful Day“ verführt direkt anschließend zum Optimismus, „Madison“ beginnt als im Falsett gesungene Liebesballade im Stil von Billy Joel, die ungefähr zur Halbzeit eine gewaltige Gitarre-Piano-Wucht entwickelt. Andere Stücke sind vergleichsweise konventionellerer Folkrock („Hold On Tight“, „Darkest Places“), aber auch sie halten das hohe Niveau mit üppigen Arrangements und tollen Melodien. Fans von Dawes oder Blitzen Trapper können hier problemlos andocken. „Keep On Movin'“ ist ein von Orgel geprägter gospeliger Tränenzieher der Extraklasse, auch „The Lucky Ones“ und „Baby Pictures“ transportieren wunderschön spirituell-euphorische Stimmungen. Der Titelsong zum Abschluss ist purer, cineastischer Sixties-Countryfolk.
Amos Lee – ein Herzensguter
„Transmissions“ erscheint auf Lees eigenem Label Hoagiemouth Records, es ist bereits sein elftes Studioalbum. Dass dieser Musiker ein Herzensguter ist, zeigt dieses Zitat zu „Hold On Tight“: „Es geht darum, wie wichtig uns unsere Leute sind, unsere Freunde und unsere Familie (…). Es geht darum, Menschen zu schätzen und sicherzustellen, dass jeder, den man liebt, weiß, dass man ihn liebt und ihn wichtig findet.“ Und immer wieder gehe es auch „um die Erfahrung, Musik zu schreiben und Songs zu spielen, während man versucht, wie wir alle im Moment, einer Welt einen Sinn zu geben, die sich sehr schnell zu verändern scheint“, sagt Amos Lee über seine aktuellen Lieder, die nicht selten denen von Glen Hansard oder Ray LaMontagne (neues Album „Long Way Home“ nur eine Woche später, ab 16.08.2024) ähneln.
Wer diese Platte hört, hört ein besseres, weniger aggressiv-furchterregendes Amerika. Kann man gut brauchen in diesen unsicheren Zeiten.
Das Album „Transmissions“ von Amos Lee erscheint am 09.08.2024 auf Hoagiemouth Records/Thirty Tigers. (Beitragsbild: Albumcover)