alt-J: The Dream – Albumreview

alt-J credit Rosie Matheson

Zurück aus der Kreativpause: Auf ihrem vierten Album „The Dream“ wirken alt-J entspannt und leichtfüßig

Zehn Jahre nach ihrem gigantischen Debüt „An Awesome Wave“ und knapp fünf Jahre nach „Relaxer“ gelingt alt-J mit „The Dream“ ein wahrer Coup. Einmal mehr beweist das Trio aus Leeds seine Freude am Experimentieren mit Sounds und Stilen, setzt Details mit großer Präzision und bleibt – nicht zuletzt wegen Newmans eigenwillig markanter Stimme – unverkennbar und unverwechselbar. Das Label Indie-Folk war bei alt-J noch nie wirklich zutreffend oder ausreichend, was bei den Vorlieben und Hörgewohnheiten der Band – von Klassik über Americana bis zu elektronischer Musik – nicht weiter überrascht. Auf „The Dream“ verschmelzen zahlreiche Einflüsse zu Erzählungen, die zwischen Unbeschwertheit und Abgründigkeit oszillieren und zutiefst Menschliches berühren.

alt-J inspiriert von Popkultur und True Crime

alt-J The Dream Cover Infectious

Das bereits im Spätsommer 2021 veröffentlichte, und von Sounds & Books als Song des Tages vorgestellte „U&ME“ ist eine Ode an die Freundschaft, das Gefühl der Zugehörigkeit, ein optimistischer, leichtfüßiger Song, der von langen Sommertagen, Festivals und der Schönheit des Augenblicks erzählt. Der perfekte Track für eine Reise ans Meer mit Fahrtwind im Haar. Auch das schmissige und verspielte „Hard Drive Gold“ gehört mit seiner augenzwinkernden Zeile „Don’t be afraid to make, to make money, boy“ in die Kategorie leicht und lässig – dabei weniger melodiekonzentriert, sondern mehr auf Rhythmik bedacht. Doch Leichtigkeit und Schwere gehen auf diesem Album nahtlos ineinander über.

„Happier When You’re Gone“ ist die Geschichte einer Frau in einer gewalttätigen Beziehung, die ihren Partner umbringt und seinen Körper verbrennt. Dieser düstere Song ist ebenso wie „Losing My Mind“ von True Crime-Podcasts inspiriert. Ein weiteres Stück, das den Tod thematisiert, ist „The Actor“. Darin heißt es „Why do I keep on returning to you? Cocaine, cocaine“. Es handelt sich um eine Referenz auf den Schauspieler John Belushi, der 1982 nach einer ausschweifenden Drogen-Party im Chateau Marmont Hotel in Los Angeles verstarb. Damit knüpfen alt-J an ein etabliertes Konzept beim Songwriting an, gab es doch bereits auf ihren früheren Alben zahlreiche Verweise auf Buchpassagen und Filmmomente.

Intime Momente und exaltierte Details

Die Gegensätze auf „The Dream“ zeigen sich nicht nur thematisch, sondern auch musikalisch. Ganz nah und ruhig wird es bei „Get Better“, einer zärtlichen Ballade, die von nur einer Akustikgitarre getragen wird. „Philadelphia“ hingegen sticht mit dem Gesang einer Opernsängerin, den barock anmutenden Verzierungen und seinem besonderen Arrangement hervor und hätte mit seinen exaltierten und wohlplatzierten Details das Zeug zur Filmmusik. Diese Wechsel, das Schwanken zwischen leisen Tönen und überdrehten Momenten ist ein wesentliches Merkmal des Albums.

Auf „The Dream“ erfinden sich alt-J zwar nicht neu, sie sind aber spürbar gereift und weniger verkopft als auf „Relaxer“. Als neue Entspanntheit der Band lässt sich vielleicht auch der Bruch mit der selbst auferlegten Regel verstehen, nicht in den eigenen Videos aufzutauchen. Im Clip zu „U&ME“ sieht man sie auf Skateboards fahren, wobei sie durchaus etwas selbstironisch sind. Das alles ist gut. Sehr gut sogar – alt-J haben einen neuen Meilenstein in ihrer Ausnahmekarriere erreicht.

„The Dream“ von alt-J erscheint am 11.02.2022 bei Infectious / BMG. (Beitragsbild von Rosie Matheson)

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