Anthony Burgess: Jetzt ein Tiger – Roman

Der Debütroman von Anthony Burgess in deutscher Erstübersetzung

Mit dem von Stanley Kubrick verfilmten, 1962 veröffentlichten Roman „A Clockwork Orange“ sollte Anthony Burgess Kultstatus erlangen. Sechs Jahre zuvor schrieb er seinen Debütroman „Time For A Tiger“, der in deutscher, von Ludger Tolksdorf übersetzten Erstausgabe im Elsinor Verlag erschienen ist. Es war der erste Teil seiner Malaya-Trilogie, in der er seine eigenen Erfahrungen in Südostasien verarbeitet. Der 1917 in Manchester geborene und 1993 in London verstorbene Autor arbeitete ab 1954 für einige Jahre als Lehrer im Dienste des British Colonial Service in Malaya und Burnei. In dieser Zeit lernte er Malaiisch sowie weitere im Land benutzte Sprachen. Gleichfalls pflegte Anthony Burgess Kontakte zur einheimischen Bevölkerung und beschäftigte sich eingehend mit den Religionen und gesellschaftlichen Gepflogenheiten, so dass sich „Jetzt ein Tiger“ zu einem kulturellen Panoptikum Malayas entwickelt.

Im Malaya der 50er-Jahre

Anthony Burgess Jetzt ein Tiger Cover Elsinor Verlag

Der englische Geschichtslehrer Victor Crabbe, eine Art Alter Ego von Anthony Burgess, unterrichtet an einer kolonialen Eliteschule im späteren Malaysia. Dem britischen Kolonialismus steht Crabbe skeptisch gegenüber und sympathisiert mit dem nach Unabhängigkeit strebenden malaiischen Volk. Er begegnet den Einwohnern Malayas freundschaftlich, möchte die zivilisatorisch-kulturellen Fortschritte des Abendlandes positiv vermitteln und nicht indoktrinieren. Seine Zuneigung dem neuen Umfeld gegenüber bringt indes Spannungen ins Privatleben Victor Crabbes, denn seine Frau Fenella quält sich mit ihrer Situation in Asien herum und möchte lieber heute als morgen wieder zurück nach England reisen. Auch mit seinem vorgesetzten Schuldirektor, der den British-Empire-Kolonialismus perfekt verkörpert, steht Burgess‘ Hauptprotagonist im ständigen Clinch. Diese beiden Konfliktherde in Crabbes Leben sind die roten Fäden des Romans, der in der Figur des britischen Polizisten Nabby Adams einen weiteren Helden offeriert.

Anthony Burgess entlarvt den britischen Kolonialismus

Der schon durch seine große Statur herausragende Adams wandelt stets angetrunken durch den Plot, vertilgt mehrere Flaschen „Tiger“-Bier täglich – der Werbeslogan „Time For A Tiger“ für die heute noch sehr populäre Biersorte diente Burgess als Vorlage für den Romantitel – und freundet sich während eines Ausflugs in den Dschungel mit dem Ehepaar Crabbe an. Mit hintergründigem und trockenem Humor sowie prägnanten, zeitweise von kommunikativen Missverständnissen geprägten, sehr absurden Dialogen entlarvt Anthony Burgess den im Abwärtstrend befindlichen kolonialen britischen Imperialismus der 50er-Jahre. Vor dem Hintergrund des Brexit und seiner möglichen Folgen erscheint dieser über 60 Jahre alte Roman von aktuellerer Brisanz.

Anthony Burgess: „Jetzt ein Tiger“, Elsinor Verlag, aus dem Englischen von Ludger Tolksdorf, Hardcover, 232 Seiten, 978-3-942788-43-4, 26 € (Beitragsbild: Buchcover).

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