Mareike Fallwickl im Interview

Mareike Fallwickl by Gyöngyi Tasi

Die Autorin Mareike Fallwickl über ihren neuen Roman „Das Licht ist hier viel heller“, über das Leben und über Musik & Bücher

Gerade mal anderthalb Jahre nach ihrem gefeierten Debüt „Dunkelgrün fast schwarz“ legt Mareike Fallwickl literarisch nach. „Das Licht ist hier viel heller“, so der weniger düster klingende Titel ihres neuen, bei der Frankfurter Verlagsanstalt erschienenen Romans. Sounds & Books hatte hierzu und zu anderen Hierzus einige Fragen – und Mareike Fallwickl die passenden Antworten. Viel Spaß mit

Mareike Fallwickl im Interview

Auf Deinem Instagram Account hast Du ein Coverbild Deines Romans „Das Licht ist hier viel heller“ gepostet. Darunter schriebst Du, Du hättest eine zwei Jahre alte handschriftliche Notiz an Dich selbst gefunden, auf der stand: „Es ist okay. Alle Zweifel sind okay. Es wird ein gutes Buch. Du wirst schon sehen“ Welche Zweifel waren das? Welcher war am größten?

Als ich begonnen habe, dieses Buch zu schreiben, hatte ich nur die Ausgangsidee, die Frage: Was geschieht, wenn jemand Briefe bekommt, die nicht für ihn bestimmt sind? Was, wenn er sie liest und sie etwas auslösen bei ihm? Wenger als Figur war sehr schnell präsent, die Briefe waren anfangs jedoch eine Fingerübung, sie waren inhaltsleer. Ich habe diesen Roman 2017 geschrieben, und plötzlich haben sich die Ereignisse dieses Jahres in die Handlung gedrängt. Das Zeitgeschehen ist in dieses Buch eingeflossen, die Briefe wurden wütend, geheimnisvoll, von einer Frau, der etwas zugestoßen war. Und als ich gemerkt habe, dass die Geschichte in Richtung sexualisierte Gewalt galoppiert, habe ich Angst bekommen. Das war der Moment des Zweifels, da waren sie am größten. Das kannst du nicht erzählen, hab ich gedacht, das ist tabu. Da hab ich lange damit gehadert. Und erst als ich erkannt habe, dass genau diese Angst der Grund ist, warum ich es machen MUSS – weil endlich Schluss sein muss mit dem Schweigen, weil wir reden müssen über diese Dinge, die täglich passieren und für uns Frauen Lebenswirklichkeit sind –, konnte ich das Thema zulassen. Und aus dieser Zeit stammt die Nachricht an mich selbst, mit der ich versucht habe, mir Mut zu machen.

Was wäre das Schönste, das man über „Das Licht ist hier viel heller“ sagen könnte?

Tatsächlich wurden schon viele schöne Dinge über dieses Buch gesagt. Allen voran, dass es wütend macht und nachdenklich. Männer haben mir geschrieben, dass sie nach der Lektüre mit ihrer Partnerin über Gleichberechtigung gesprochen haben, dass sie sich im eigenen Leben umgesehen haben und etwas ändern möchten. Wie wunderbar ist das! Am schönsten aber sind die Nachrichten von Frauen, die betroffen sind. Die verursachen mir Gänsehaut. Frauen, die mir schreiben: Mir ist so etwas passiert, und ich suche seit Jahren nach den Worten, um es zu beschreiben. In deinem Buch hab ich sie gefunden. Eine Frau hat sogar geschrieben: „Mareike, dein Buch hat mir so geholfen.“ Man steckt viel Zeit und Energie und Hoffnung und eben auch Zweifel in einen solchen Roman – ohne zu wissen, ob seine Botschaft jemanden erreichen wird. Umso großartiger, wenn man am Feedback merkt: Sie tut es.

Beide Deiner Romane sind aus jeweils verschiedenen Perspektiven erzählt. Welche davon fielen Dir besonders leicht und gibt es eine, aus der zu erzählen Du für Dich ausschließen würdest?

Die Perspektiven waren allesamt spannend. Es war genauso interessant, einen 54-jährigen gescheiterten Mann zu schreiben wie eine 17-Jährige, die sich selbst findet. Ich habe mich für Moritz gern mit Synästhesie beschäftigt und bin Marie bei der Frage gefolgt, wie viel Schuld Eltern am Leben ihrer Kinder tragen. Keine davon war leichter oder schwieriger als die anderen, jede war eine Herausforderung für sich. Im Moment würde ich keine Perspektive ausschließen, ich schrecke nicht vor Charakteren zurück, mit denen man sich nicht identifizieren kann –im Gegenteil.

Welche der Eigenschaften von Zoey, einer der zentralen Figuren Deines neuen Romans, wünschst Du Dir für Deine eigenen Kinder – insofern sie sie nicht bereits besitzen?

Mut zur Rebellion. Mit den Erwartungen brechen. Für sich selbst einstehen – auch wenn es bedeutet, sich gegen die Eltern zu richten, in dem Fall gegen mich. Ich sage meinen Kindern immer: Niemand kann euch später vorschreiben, wie ihr zu leben habt, nicht einmal ich. Lasst euch nichts sagen, schon gar nicht von mir. Ihr müsst euch selbst glücklich machen, nicht mich.

Du bist freie Lektorin, Texterin, Konzeptionistin, hast eine wöchentliche Kolumne, gerade Deinen zweiten Roman veröffentlicht, bist in den sozialen Medien beachtlich aktiv, rezensierst pro Jahr circa 100 Bücher, liest vermutlich noch mehr, bist verheiratet, hast zwei Kinder – was machst Du mit der restlichen Minute Freizeit, die Du pro Tag hast?

So wie die Frage formuliert ist, musste ich am Ende lachen: Wie kommst du auf die Idee, es gäbe eine restliche Minute Freizeit? 🙂

Mal angenommen, Du dürftest eine Woche weder lesen noch schreiben noch in den sozialen Medien aktiv sein – was würdest Du machen?

Freunde treffen, ins Kino gehen, Serien gucken, Sushi essen, alle Farbstifte meiner Kinder spitzen (das finde ich sehr beruhigend).

Welches Buch hättest Du gern geschrieben und warum?

Oh, da gibt es viele. Das ist sogar ein Kriterium für mich: Wenn ich bei einem Buch denke „ich wünschte, ich hätte das geschrieben“ bedeutet das, dass ich es richtig arg mag. Zuletzt hab ich das bei „Miroloi“ von Karen Köhler gedacht, bei „Was nie geschehen ist“ von Nadia Spiegelman und bei „How to be famous“ von Caitlin Moran. Und das waren nur ein paar Beispiele von diesem Herbst.

Wenn Du ein Genre wärst, welches wärst Du?

Dieses Mami-braucht-einen-Drink-Genre mit den jonglierenden Müttern, die versuchen, alles unter einen Hut zu bringen, wie nennt man das? Hen Lit?

Mal angenommen, „Das Licht ist hier viel heller“ würde verfilmt werden – was wäre der perfekte Titelsong?

Peinlich, aber wahr: Ich habe beim Schreiben ständig „Flames“ von David Guetta und Sia gehört, wegen der Zeile „Go, go, go, figure it out, but don’t stop moving“ (siehe Frage 1). Es handelt davon, nicht aufzugeben, weiterzugehen, sich nicht unterkriegen zu lassen – und das passt sehr gut zur Message des Romans, in dem sich alle Frauen aus ihrer Opferrolle befreien.

Was wäre der perfekte Titelsong für Dein aktuelles Leben?

„Falling into pieces“ von Black Casino and the Ghost.

Gibt es schon eine handschriftliche Notiz an Dich selbst für das nächste Buch?

Ha! Ja. Bisher ist mein Notizbuch voll mit kleinen Randnotizen wie: „Viel zu kitschig“, „um Gottes Willen, nein“ und „was soll das alles überhaupt?“

Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen. (Beitragsbild von Gyöngyi Tasi)

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