Christian Freimuth: Klipp & Gefahr – Albumreview

Christian Freimuth credit Helge Ferbitz

Christian Freimuth und der Wunsch nach dem „Klipp“ im Leben

Bereits im April erschien „Klipp & Gefahr“, das neue Album des Lübecker Singer-Songwriters Christian Freimuth, beim Hamburger Label Kombüse Schallerzeugnisse. Und auch zwei Monate später bieten die melancholischen, aber niemals verzweifelten Songs den passenden Soundtrack für frühsommerliche Nachmittage am Kanal oder See – den Blick in den Wolken und die Gedanken irgendwo zwischen Hier und Jetzt und einer Zeit vor dem Erwachsenwerden und dem (vermeintlichen) Erwachsensein.

Klipp & Gefahr – rein in die Schutzzone

Christian Freimuth Klipp und Gefahr Cover Kombüse Schallerzeugnisse

Der Titel Klipp & Gefahr steht für Rückzug und Konfrontation. Der darin enthaltene und in Norddeutschland gebräuchliche Ausdruck, mit dem Kinder sich beim Fangen an einen sicheren Ort begeben, wird in „Paula sagt Klipp“ aufgegriffen: „Beim Fangenspielen gibt es eine Ecke / wo niemand einfach ‚Hab dich‘ sagen darf / Wie schön wär’s, wenn das Leben sowas hätte / bei Nichtgefangenwerdenwollbedarf.“ Ein herrliches Bild. Doch es geht Freimuth in seinen Songs nicht darum, sich zu entziehen, sondern darum, sich in einem Schutzraum sammeln und zentrieren zu können, um in der wiederkehrenden Konfrontation außerhalb der sicheren Zonen Haltung zu bewahren.

Christian Freimuth und die Spiel-Metapher

Freimuths Sprache ist direkt. Die Worte, mit denen er Bilder erzeugt, wirken niemals abgenutzt und etwas Verspieltes schwingt immerzu mit. Thematisch spiegelt sich das nicht nur in „Paula sagt Klipp“, sondern beispielsweise auch in „Spielen überhaupt lernen“ wider. Hier steht das Spielen sinnbildlich für das Leben, das Verlieren für das Scheitern, ohne das ein Leben unmöglich ist: „Nur wer verlieren kann / der kann Spielen überhaupt lernen.“ Aber auch die Unfähigkeit positiv zu denken oder sich zu bewegen und das Gefangensein in einer scheinbar durch nichts erklärbaren Traurigkeit sind Leitmotive der elf neuen Stücke. So heißt es in „Wo keine andere Liebe hinkommt“, einem der stärksten Tracks auf Klipp & Gefahr: „Ich wurd‘ lang nicht verlassen / und nie schlimm geschlagen / Bin völlig grundlos traurig / warum kann ich nicht sagen.“ Dabei hat diese Selbstbetrachtung nichts Schamhaftes. Was beim Hörer bleibt ist die Erkenntnis: Du darfst kaputt sein und bist dennoch ganz.

Im Team mit Tom Liwa

So wie das Leben ist auch Klipp & Gefahr nicht geglättet oder weichgespült. Eingespielt und produziert hat Freimuth sein neues Album zusammen mit seinem musikalischen Vorbild Tom Liwa. Fast ein Jahr lang arbeiteten sie daran, spielten unzählige Parts mit Akustikgitarren ein, nutzten alte Röhrenverstärker für die E-Gitarren, analoge vintage Drums, ein echtes Klavier, eine Melodica, diverse Mundharmonikas und zahllose andere Instrumente, so auch einen Kontrabass, gespielt von Florian Galow. Das analoge Mastering gibt Klipp & Gefahr mit all seinen gewollten Kratzspuren und Kanten den letzten Schliff. Es ist ein Album der leisen Töne und des Raumes zwischen den Zeilen, für das man Aufmerksamkeit braucht. Und bei aller Melancholie ist da immer auch ein Augenzwinkern, das bedeutet: Sag „Klipp“, wenn es grad zu viel ist. Was für ein tolles Spiel.

„Klipp & Gefahr“ von Christian Freimuth ist am 12.04.2019 bei Kombüse Schalletrzeugnisse erschienen (Beitragsbild von Helge Ferbitz).

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