Vea Kaiser: Rückwärtswalzer – Roman

Vea Kaiser credit Gérard Otremba

Einfach kaiserlich, der neue Roman von Vea Kaiser

Lorenz Prischinger steckt in einer schweren Lebenskrise. Der 31-jährige Schauspieler hat keinen Job, kein Geld und zu allem Überfluss hat ihn seine Freundin verlassen. Er suhlt sich schwer in seiner Larmoyanz und dann stirbt noch scheinbar überraschend sein Onkel Willi. Willi war der aus Montenegro stammende Mann von Tante Hedi, dessen Wunsch es immer war, in seiner Heimat begraben zu werden. Ein Wunsch, den Hedi sowie ihre beiden Schwestern Mirl und Wetti auch gerne nachkommen. Allerdings fehlt das Geld in der Kasse für eine ordentliche Überführung und so überreden sie Lorenz zu einem 1000-Kilometer-Trip nach Montenegro. Zu fünft macht sich die Prischinger-Familie – der tiefgefrorenen Onkel Willi auf dem Beifahrersitz, die Tanten auf den Rücksitzen – im kleinen Panda auf den Weg in den Süden, ein illegaler Leichentransport, der für die Protagonisten zu einer kathartischen Reise wird.

„Niemand wird zurückgelassen“

Vea Kaiser "Rückwärtswalzer" Cover Verlag Kiepenheuer & Witsch

„Die Manen der Familie Prischinger“ hat Vea Kaiser, die die Leserschaft bereits mit den Büchern „Blasmusikpop“ und „Makarionissi“ verzückte, ihren neuen Roman „Rückwärtswalzer“ im Untertitel benannt. Manen sind Totengeister, und ein solcher kreist seit Jahren über den Prischinger-Geschwistern, zu denen noch Sepp gehört und in der Kindheit Hedis Zwillingsbruder Nenerl, der bei einem tragischen Unfall, für den sich die Schwestern die Schuld geben, sein Leben verlor. In mit der Gegenwart wechselnden Rückblenden rekapituliert Vea Kaiser das Leben der Geschwister, die vaterlos in den 50er-Jahren auf dem elterlichen Gasthof auf dem Land in Österreich aufwachsen. Ausgerechnet der furchtlose Nenerl hat das familiäre Credo „Niemand wird zurückgelassen“ für Notsituationen ausgegeben, der sein Vorhaben, mit artistischen Zirkuskunststücken für das familiäre Wohl zu sorgen, nie in die Tat umsetzen konnte. Genauso wie die Prischingers, musste auch Willi einen herben familiären Verlust verkraften, der bis an sein Lebensende an ihm nagte.

Vea Kaiser und die Nähe zu John Irving

Es ist nicht nur das bereits auf dem Cover sichtbare Bären-Motiv, in unterschiedlicher Ausprägung wichtig für fast alle Protagonisten dieses Romans, das an John Irving denken lässt. Skurrile Situationen, mit Spleens versehene Figuren, eine überbordende, facettenreiche Familiengeschichte sowie ein stimmig durchkomponierter und pointierter Plot. Nie war die in Wien lebende Vea Kaiser ihrem amerikanischen Schriftstellerkollegen und Idol John Irving näher. Und selbstverständlich sollte das Taschentuch beim Lesen immer in der Nähe sein, um sich die Tränen der Rührung und der Freude wegzuwischen, so bittersüß, herzzerreißend und sentimental versteht es Kaiser zu erzählen. Aber so, und nicht anders muss es bei Romanen von Vea Kaiser sein. Einfach kaiserlich.

Vea Kaiser: „Rückwärtswalzer – oder Die Manen der Familie Prischinger“, Kiepenheuer & Witsch, Hardcover, 432 Seiten, 978-462-05142-1, 22 € (Beitragsbild von Gérard Otremba).

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