Vor rund zwei Jahren veröffentlichte Jakob Bro bei ECM Records sein hochgelobtes Album „Streams“. Gemeinsam mit Bassist Thomas Morgan und Schlagzeuger Joey Baron erreichte der dänische Gitarrist darauf ein neues Level seines effektiven und hochmelodiösen Spiels. Gelassen, unaufgeregt und mit viel Ruhe entwickelte das Trio seinen typischen, magischen Sound. „Bay Of Rainbows“ dokumentiert nun die Live-Qualitäten der Formation. Der 2017 an zwei Abenden im New Yorker „Jazz Standard“ aufgenommene Mitschnitt umfasst insgesamt sechs Stücke – keines davon war auf „Streams“ zu hören. Stattdessen interpretieren Bro und Co. mit „Evening Song“ vom Album „Balladeering“ und „Copenhagen“ von „Gefion“ Material aus den Vorjahren. Hinzu kommen mit den „Mild“ und „Mild (var.)“ sowie „Red Hook“ und „Dug“ vier neue Kompositionen.
Jakob Bro und das blinde Zusammenspiel
In einer Besprechung des im März veröffentlichten Quartett-Albums „Returnings“ pries „DownBeat“ den Gitarristen dafür, dass er „Klanggemälde von großer Tiefe, Wärme und Schönheit“ schuf. Eine Beschreibung, die auch auf die Musik aus „Bay Of Rainbows“ zutrifft. Doch das allein wäre nicht vollständig. Die Bühnensituation verleiht dem Spiel des Trios zusätzlich eine dynamische Komponente, über die das Studiomaterial so nicht verfügt. Besonders deutlich wird dies am Beispiel „Evening Song“. Allein mit diesem Trio habe er diesen Song wohl hunderte Male gespielt, Nacht für Nacht, in immer anderen Städten, in den verschiedensten Spielstätten vor unterschiedlichen Zielgruppen, sagt Bro. „Das Stück entwickelt sich ständig und überrascht mich immer wieder aufs Neue.“ So ist ein blindes Zusammenspiel entstanden, ein Urvertrauen, das es den drei Musikern erlaubt, sich von Formen zu lösen und zuhörend zu spielen. Situativ neu zu gestalten.
Spontanes Komponieren
Der Magie dieser Arbeitsweise erliegt der Hörer nicht mal eben. Es braucht eine gewisse Aufmerksamkeit für die zahlreichen Details dieser Musik. Wer aber zum Beispiel ins düstere „Red Hook“ oder ins schwelgerische „Copenhagen“ eintaucht, kann staunend die Fährten entdecken, die sich die Musiker gegenseitig legen, um einander folgen zu können. „Es mag für manche Leute seltsam klingen, aber wir drei sprechen vorab nie über die Musik, nicht einmal über Intros oder Outros, oder an welcher Stelle Soli gespielt werden sollten“, erklärt der Gitarrist. „Es passiert alles spontan auf der Bühne. Wir haben diesen gemeinsamen Wunsch, einander wirklich zuzuhören, die Musik atmen zu lassen, während wir schauen, wohin wir uns von einem auf den anderen Moment bewegen können.“ Diese Musik atmet in der Tat. Man könnte auch sagen, sie ist lebendig. Eben live. Jakob Bro legt mit „Bay Of Rainbows“ nach und festigt seinen guten Ruf.
„Bay Of Rainbows“ von Jakob Bro ist am 05.10.2018 bei ECM Records erschienen.
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Jahrgang 1976. Kommunikationswissenschaftler, Redakteur und Autor. Er promovierte mit einer Arbeit zum Musikgeschmack, schreibt für diverse Magazine, Zeitschriften und Zeitungen und veröffentlichte mehrere Bücher. Zuletzt erschien von ihm „Molotow. Das Buch“ im Junius Verlag. Seine musikalischen Vorlieben reichen von klassischem Soul und Blues über Punk und Pop bis zu Jazz in all seinen Variationen. Zu seinen musikalischen Lieblingen gehören unter anderem Nina Simone, Tom Waits, Ray Davies, Moondog, Pharoah Sanders, Lou Reed, Steely Dan, Otis Redding und Art Blakey.