Antje Schomaker: Portrait der Hamburger Songwriterin

Antje Schomaker live in Hamburg 2018 Uebel & Gefährlich by Gérard Otremba

In Hamburg ist Antje Schomaker längst kein Geheimtipp mehr

Bereits Ende 2016 stellte Sounds & Books Antje Schomaker erstmals vor. Ihre erste, unfassbar eingängige, sehr fluffige Single „Bis mich jemand findet“ war folgerichtig ein Song des Tages dieses Online-Magazins, bis zum dazugehörigen Debütalbum Von Helden und Halunken, das Ende Februar 2018 erschien, dauerte es dann aber noch über ein Jahr. Zwar eine lange Wartezeit, für die es allerdings eine simple Erklärung gibt. „Ich war damals mit Bosse auf Tour und wollte nicht mit leeren Händen am Merchandise-Stand stehen, weshalb wir die Single schon so früh herausbrachten“, erklärt die Hamburger Songwriterin diese längere Zeitspanne zwischen erster Single und Album.

In der gesamten Bundesrepublik mag die aufstrebende Musikerin noch als Geheimtipp gelten, in Hamburg war sie das vielleicht noch bei der Single-Veröffentlichung vor zwei Jahren, indes einer der ohne ein Album damals schon den berühmten Auftrittsclub Molotow ausverkauft bekam. In der Zwischenzeit ist Schomaker eine bekannte lokale Größe in der Hansestadt, wie der Fanszuspruch eines ausverkauften Konzertes im wesentlich größeren Uebel & Gefährlich während ihrer Albumrelease-Tour beweist.

Die Kindheit und Jugend am Niederrhein

Aufgewachsen ist die 1992 geborene Antje Schomaker als drittes von vier Geschwistern in Rheurdt am Niederrhein, nahe Moers und unweit der niederländischen Grenze gelegen. Zoomt man sich den kleinen Ort auf Google Maps näher heran, ploppt dann irgendwann das Hinweisschild „Biobäckerei Schomaker“ auf. Natürlich kein Zufall, wird doch die Bäckerei von Antje Schomakers Vater betrieben. Gesunde Ernährung gab es also im Hause Schomaker bereits zum Frühstück und für ihre musikalische Laufbahn erhielt die Sängerin breite familiäre Unterstützung. „Meine Eltern haben sich immer gut um mich gekümmert und meine Mutter hat mir in den musikalischen Dingen immer sehr viel Vertrauen geschenkt und mir in meiner Selbständigkeit sehr viele Freiheiten mitgegeben“, weiß Antje Schomaker ihre Erziehung zu schätzen.

Antje Schomaker live in Hamburg 2018 Uebel & Gefährlich by Gérard Otremba

Die Basis für ihre Musikbegeisterung legte sie in der Walldorfschule, wo sie Blockflöte, Klavier, Gitarre und Fagott spielen lernte. Ihre zwar nicht musikalischen, aber musikaffinen Eltern zwangen ihr nichts auf, der musikalische Prozess war ein fließender. „Es gab für mich eigentlich nie was anderes. Okay, ich wollte auch mal Schauspielerin oder Modedesignerin werden, aber es sollte doch immer etwas Musisches und Kreatives sein. Die Musik war immer da. Ich hörte Platten mit meinen Eltern, die mich auch auf Konzerte mitnahmen und die Instrumente, die ich lernte, blieben immer an mir hängen. Es hat sich nie so angefüllt wie ‚Hey, ich mache jetzt gerade Musik‘, sondern ‚Hey, ich mache das, was ich natürlich mache‘. Die Musik war nie etwas Auferlegtes“, erinnert sich Schomaker an die Anfänge.

Irland-Erlebnisse

Es waren die elterlichen Platten von Supertramp, The Police, Marius Müller-Westernhagen oder Stoppok, mit denen sie aufwuchs, von ihrer älteren Schwester kam dann noch der musikalische Input in Form von Tomte und Clueso hinzu.  Während ihrer Schulzeit besuchte sie als 14-Jährige mit einer befreundeten Familie, die Irish-Folk-Musik machte, Irland, wo sie die Lieder, die sie tagsüber in einer Summer School lernten, abends in Pubs sangen. Ein so prägendes Erlebnis im Leben von Antje Schomaker, dass sie nach der Schulzeit für ein Jahr als Au-pair nach Dublin ging.

Der Weg nach Hamburg

Durch das Theaterspielen in der heimatlichen Region lernte Antje Schomaker über Umwege den Hamburger Musiker und Produzenten Sven Meyer kennen, der eine Art Mentor für sie wurde, der an ihr Songwriter-Talent glaubte und der sie vor fünf Jahren auch nach Hamburg lotste, wo sie sich problemlos sehr schnell zurechtfand. Die Entscheidung, Profi-Musikerin zu werden, war ein längerer Prozess, der erst 2017 endgültig von ihr umgesetzt worden ist. „Es begann mit dem Umzug nach Hamburg, aber ich studierte noch Systematische Musikwissenschaften und schlug mich mit Nebenjobs durch. Die fielen dann letztes Jahr endgültig weg, und auch wenn ich meine Bachelor-Arbeit nach wie vor schreiben möchte, gilt die Konzentration jetzt voll und ganz der Musik“, beschreibt Antje Schomaker ihren Status Quo.

Antje Schomaker live in Hamburg 2018 Uebel & Gefährlich by Gérard Otremba

„Für viele Leute in meinem Umfeld war das schon wesentlich früher klar. Es hat mir sehr geholfen, zu sehen, dass andere Menschen an mich glauben. Und wenn andere Menschen schon an mich glauben, kommt der Moment, an dem ich mir sage, dann solltest du auch mal an dich glauben.“ Sie sei froh und dankbar, erklärt die sympathische Songwriterin im Gespräch mit Sounds & Books, von ihren Vertragspartnern die Zeit für diesen langsamen Karriereaufbau bekommen zu haben und erst mit 25 und nicht bereits mit 17 Jahren das Debütalbum aufzunehmen. „So konnte ich besser für mich in Erfahrung bringen, was ich will und was ich nicht will, wie ich klingen möchte und wie es im nächsten Schritt weitergeht“, erklärt Schomaker ihren Weg.

Die Qualität der Songs auf dem Album Von Helden und Halunken

Besagtes, von Kilian Reischl und Robin Karow produziertes Album mit dem herrlichen Titel Von Helden und Halunken ist dann Ende Februar 2018 beim Major Columbia Records / Sony Music erschienen und bietet elf wahrlich bewegende Songwriter-Indie-Pop-Perlen. Meistens steht der Text, oder die Idee dazu, fest, bevor sich die 26-Jährige an das Komponieren der jeweiligen Songs setzt. Es sind poetische Texte und Geschichten, für die sie sich von Orten, Filmen, Büchern oder Gesprächen und Reisen inspirieren lässt. Berührungsängste vor bestimmten Themen hat Schomaker nicht. Wobei für sie nicht die textliche Aussage an erster Stelle steht, sondern die Qualität des Songs insgesamt. „Ich denke beim Songschreiben nicht ‚Das möchte ich aussagen‘, sondern ich schreibe einen Song und entweder er ist gut oder er ist nicht gut. Und wenn ein Song vielleicht die passende Aussage hat, aber der Rest des Liedes ist schlecht, dann veröffentliche ich ihn nicht.“

Antje Schomaker live in Hamburg 2018 Uebel & Gefährlich by Gérard Otremba

Gut sind die Songs für Antje Schomaker dann, wenn sie anderen gerne vorspielt und in diesem Austausch merkt, wie gut sie funktionieren. Und wenn sie anderen Menschen mal nichts vorspielt, dann könnte es sein, dass sie ihrer Schwester ein Buch vorliest, gehört das Lesen doch zu einem ihrer Hobbys und nicht selten ist sie dann mit mehreren Büchern parallel beschäftigt. Überhaupt sprüht die Liedermacherin auch außerhalb ihrer Kunst vor Tatendrang, sie geht ins Kino, kocht und back gerne, treibt Sport und beginnt prinzipiell sehr viele Dinge gleichzeitig, aus Interesse und womöglich einem Überangebot geschuldet, so ihre Vermutung. Neuerdings entwickelt sie einen eigenen Podcast, bei dem sie sich mit anderen Musikern trifft und austauscht.

Antje Schomaker über den Entstehungsprozess ihres Debütalbums

Außerdem interessiert sie sich für Kunst, kritzelt gerne selbst vor sich hin und entwirft auch ihre Merchandise-Angebote, von T-Shirts bis Armbänder, selbst. „So kann ich meinen Fans durch meine kreativen Hobbys wieder etwas zurückgeben“, sagt Schomaker, die sich als optimistischen Menschen bezeichnet und als eine extrovertierte, offene, kontaktfreudige Person sieht, obwohl sie im Gespräch auch einen aufmerksamen, aufgeweckten, konzentrierten und überlegten Eindruck hinterlässt. Die persönliche Note ist ihr wichtig, weshalb sie sich auch genug Zeit für ihr Debütalbum nahm. „Ich wollte das Album nicht schnell herausbringen, sondern die Produktion als Erlebnis haben. Ich war mit meinen Musikern, meinem Team in Norwegen, wo wir einzelne Stücke aufnahmen und Videos dazu drehten. Ich skypte mit einem chilenischen Künstler wegen der Covergestaltung und wenn du den Anspruch hast, in vielen Details etwas Persönliches einzubringen, dann dauert es  eben etwas länger. Ich denke, gute Dinge brauchen Zeit und dann nehme ich mir eben die Zeit“, zieht Schomaker, die sich allen Musikstilrichtungen gegenüber offen zeigt, ein positives Fazit des Entstehungsprozesses ihres Albums.

Die Highlights in Antje Schomakers Karriere

Ihre Karriere ist noch eine junge, aber an Highlights reiche. Sei es, als Support von Bosse bereits in großen Hallen gespielt haben zu dürfen, oder das bereits erwähnte ausverkaufte Konzert im Hamburger Uebel & Gefährlich, wo sie im März vor fast eintausend Fans auftrat, ein Ereignis, das sie auch Wochen danach noch anfasse. In der Zeit ihrer diversen Supportauftritte zum Albumrelease und ihrer Von Helden und Halunken-Tour habe sie gelernt, immer auf das Bauchgefühl zu hören, mit anderen über Erwartungshaltungen zu reden und den Moment genießen zu können, „und nicht immer so durchzurasen, auch mal inne zu halten, nicht ständig immer mehr von sich selbst zu erwarten, sondern zu sagen, der Weg war gut, und jetzt gerade ist es schön.“ Der Weg für Antje Schomaker, die das Zwischenmenschliche am Leben liebt, geht musikalisch im Oktober weiter, denn dann steht der zweite Teil ihrer Von Helden und Halunken-Tour durch deutsche Clubs an. Möglichkeiten genug für etwaige neue Karrierehöhepunkte und hoffentlich neue Momente des Genusses.

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