Reeperbahn Festival 2018: Bewegende Momente

Reeperbahn Festival 2018 Okkervil River by Gérard Otremba

Der dritte Tag beim Reeperbahn Festival 2018 startet mit Okkervil River

Der dritte Tag des Reeperbahn Festivals 2018 begann für Sounds & Books mit dem Besuch des Okkervil River-Konzertes. Erfreulich viele Menschen versammelten sich bereits weit vor dem Einlass in einer langen Schlange vor der St. Michaelis-Kirche („Michel“), so dass das Quintett um Sänger und Songwriter Will Sheff, der es bis zum Vortag nicht realisierte, beim Reeperbahn Festival in einer Kirche spielen zu dürfen, auf ein vergleichsweise großes Publikum traf. Man wird ja nicht müde zu betonen, welch großartige Platen Okkervil River in den letzten Jahren aufnahmen, zuletzt erschien im April In The Rainbow Rain. Und der kirchliche Rahmen passte ja dann auch zum salbungsvollen und barmenden Gesang Sheffs, der äußerlich wie eine Inkarnation von John Lennon und Jesus wirkte und mit seiner Band ein ergreifendes Set bot. Ob das verträumt-soulige „Famous Tracheotomies“ (mit dem Kurzausflug zu „Waterloo Sunset“ von den Kinks) oder der legere Westcoast-Folk von „Don’t Move Back To LA“, man könnte der großen Kunst von Okkervil River ewig lauschen.

Black Sea Dahu beim Reeperbahn Festival 2018

Allerdings, es  ist Festival-Time. Und so ist nach knapp über einer halben Stunde Okkervil River die Zeit für einen Wechsel der Location. Im Sommersalon stand nämlich schon die Schweizer Band Black Sea Dahu, die wir an dieser Stelle unlängst kurz mit einem Song des Tages vorstellten. Die sechsköpfige Formation um Sängerin und Songwriterin Janine Cathrein stellte Songs ihres am 12.10.2018 erscheinenden Debütalbums White Creatures vor, denen man einen Hang zum Epischen nicht abstreiten kann. Die zahlreichen Gäste dieses 40-minütigen Gigs waren Zeugen von fragilen, versponnenen und ganz und gar zauberhaften Indie-Folk-Songs. Da geriet der „Hit“, der „Cowboysong“ (besagter Song des Tages) „In Case I Fall For You“ schon vergleichsweise (jedenfalls partiell) relativ laut. Die filigranen, mit teilweise herrlich leidendem Gesang vorgetragenen Stücke erhöhten die Vorfreude auf das Album. Tolle Band, feiner Auftritt.

Punk und Power-Rock von The Nectars aus New Jersey

Das krasse musikalische Gegenteil erlebte das Publikum anschließend im Grünen Jäger, wo The Nectars auftraten. Das Quartett um Frontfrau Jess Kenny stammt aus New Jersey und hat die rohe Kraft des Punk und Rock’n‘Roll (zeitweise aber auch mit starken Popmelodien verziert) nach Hamburg mitgebracht. Schlagzeug, Gitarre, Bass sind in männlicher Hand, dazu die quirlige und extrovertierte Kenny am Mikro und schon war eine atemberaubende Tour de Force aus lautstarken Powersongs im Gange.

Viel Pathos in der mächtigen Stimme von Freya Ridings

Im Imperial Theater nahm danach Freya Ridings ihren Platz am E-Piano ein. Begleitet von zwei Herren, die Bass, Gitarre, Keyboard und Cello bedienten (die gelegentlich benötigten Drumbeats übernahm ein Laptop), sang die stimmgewaltige jungen Londonerin 35 Minuten lang bewegende, leidenschaftliche und sehnsüchtige Lieder, die zwischen bombastischen Pop und  ruhigen Balladen changierten. Die Stimme von Freya Ridings geht wahrlich durch Mark und Bein, viel Soul, noch mehr Pathos und am Ende ihres Auftritts stand das wunderbare, hier ebenfalls bereits als Song des Tages präsentierte „Lost Without You“. Ein absoluter Gänsehautmoment und ein würdiger musikalischer Abschluss für den vorletzten Tag beim Reeperbahn Festival 2018.

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