Underworld und Iggy Pop: Teatime Dub Encounters

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Underworld und Iggy Pop treffen sich zum Tee

Underworld kokettierten in der Vergangenheit gerne damit, vieles schnell zu entscheiden – oder sich überhaupt keine Gedanken zu machen. Ihre Gruppe halten Sänger Karl Hyde und Soundmeister Rick Smith auch eher für ein Hobby, das sie neben ihrer Tätigkeit als Chefs der renommierten Londoner Kunst- und Designagentur „Tomato“ ausüben. Dass Underworld quasi ganz nebenbei zu gefeierten Musikelektronikern werden konnten, lag vor allem an ihrer Fähigkeit, für viele alles zu sein. Technokinder, House-Hedonisten und Rockfans: Alle lieben Underworld – vor allem seit Danny Boyles Drogenfilm „Trainspotting“, der „Born Slippy“ zum Hit und Underworld weltberühmt machte.

Besonders feinsinnig war das oft nicht, was Underworld ihren Hörern antaten. Im ewigen Stakkato brummelte der Endlosbeat, dazu kamen einige Keyboards, Loops, die wie Teppiche übereinandergestapelt wurden. Ein immerwährendes Sonderangebot, bei dem man irgendwie nicht nein sagen konnte: Die Tracks saugten sich im Nervenzentrum fest. Und bis heute bringen Underworld die Theorien über elektronische Musik genauer und konsequenter als andere Gruppen auf einen einfachen Nenner: Erstens: Man kann alles, jede Musik, jeden Sound zusammen in einen Topf werfen. Zweitens: Ist man dabei geschickt, kommt etwas dabei heraus. Drittens: Wenn man dazu tanzen kann: noch besser!

Underworld und Iggy Pop machen Tanzmusik

Underwold Iggy Pop Teatime Dub Encounters Cover CarolineAuch das neue Album schmeckt nach den klassischen Underworld-Zutaten: Störrische Klänge, schnelle Techno-Beats, ambientartige Klangflächen und Wiederholungen, wie Hyde einmal in einem Interview erklärt hat: „Wir fangen einfach irgendwo an, wiederholen einen Großteil der Elemente eines Songs, fügen dann an einer Stelle etwas dazu, nehmen woanders wieder etwas weg. Am Ende hat man den Hörer auf eine kleine Reise mitgenommen. Auf der eigentlich gar nichts passiert ist.“ Nur diesmal ist doch alles ein wenig anders, denn es ist kein geringerer als Iggy Pop, der hier über die Beats spricht und singt. Eine halbe Stunde Tanzmusik ist das, das schöne Ergebnis einer Idee, die bei einer Tasse Tee im Londoner Hotel „Savoy“ geboren wurde. Iggy Pop, Protopunk, inzwischen 71 Jahre alt, ist ein kongenialer Partner für das in Würde ergraute britische Elektro-Duo.

Aufgenommen in einem Hotelzimmer

„Teatime Dub Encounters“ heißt das Werk, das tatsächlich in einem Hotelzimmer aufgenommen wurde. Anlass war die Fortsetzung von „Trainspotting“, in dessen ersten Teil „Born Slippy” von Underworld und „Lust For Life” von Iggy Pop zu hören waren. Mikrofon, ein mobiles Tonstudio und Tee. Mehr brauchten die drei nicht für dieses Werk. Die Stücke waren von Hyde und Smith vorproduziert. Iggy Pop wusste offenbar von gar nichts – und durfte dann einfach mal improvisierend loslegen. Dass das Ganze so gut geworden ist, das liegt nicht zuletzt an Iggy Pop – an seinem suggestiven Sprechen über den Beat. Um was geht es hier? Um die Wahl des richtigen T-Shirts, um das Gefangensein, um Freudschaft. Was Pop da zu erzählen hat, ist beste improvisierte Spoken Word-Poesie.

Und die Tracks machen Druck, wie man es von Underworld kennt. Monoton, sich langsam steigernd, wie bei dem Stück „Bells & Circles“, bei dem Iggy Pop von den goldenen Jahren der Luftfahrt erzählt – als man in Flugzeugen noch rauchen und mit Stewardessen hemmungslos flirten durfte. Heute ist das Fliegen nicht mehr so gut – Rauchverbote sind nichts für einen wie Iggy Pop. Diese Platte lässt Punkrock-Ethos, Breakbeat, Dub, Achtziger-Wave und Ambient auf ungehörte Art verschmelzen – und überhaupt ist sie ein Beispiel dafür, wie neu Popmusik bisweilen noch klingen kann. „Teatime Dub Encounters“ ist die vielleicht schönste Überraschung dieses Jahres. Und das nach 10 Underworld-Alben seit 1988. Und 21 Alben von Iggy Pop. Seit 1977.

„Teatime Dub Encouters“ von Underworld und Iggy Pop ist am 27.07.2018 bei Caroline / Universal erschienen (Beitragsbild: Albumcover).

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