Frank Turner: Be More Kind – Album Review

Frank Turner Be More Kind Albumcover Universal Music

Die neuen Wege des Frank Turner

Es gibt unzählige Künstler, die ihre musikalischen Rezepte über Jahrzehnte kaum noch ändern. Warum auch ändern, was doch erfolgreich ist? Das sieht Frank Turner offenbar anders. Mit seinem siebten Studioalbum „Be More Kind“ schlägt er erneut einen anderen Weg ein. Die Entwicklung zieht sich wie ein roter Faden durch das Werk des Songschreibers. Von den Anfängen mit seiner Hardcore-Band Million Dead, über seine Singersongwriter-Phase bis heute, hat sich seine Arbeit stetig weiterentwickelt. Er versucht immer wieder, neue Wege zu finden, um sich auszudrücken. Dieses Mal hat er seine Band The Sleeping Souls mit ins Studio genommen.

Gemeinsam mit den Produzenten Austin Jenkins und Joshua Block hat er ein mitreißendes Pop-Album mit starken Soul- und Gospeleinflüssen erschaffen. Durch den Einsatz von Synthesizern und Loops hat „Be More Kind“ auch eine ganz eigene Dynamik bekommen. Die Musiker hatten offenbar ihre Freude daran, sich an synthetischen Klangerzeugern abzuarbeiten und damit zu experimentieren. Trotz dieser Experimente hat Frank Turner seine Handschrift nicht verloren. „Be More Kind“ hat viele Facetten. Vom Turner-typischen Folkpunk mit komplexen Texten über Gospel und Soul bis hin zu modernem amerikanischen Pop, gibt es viel zu entdecken.

Inhaltlich thematisiert Frank Turner aktuelle gesellschaftliche und politische Fragen und was sie für ihn und sein Umfeld bedeuten. Das aktuelle Weltgeschehen beschäftigt den 36-jährigen Engländer sehr. Wie viele andere unserer Generation steht er kopfschüttelnd vor Furchen in unserer Gesellschaft, die die US-Präsidentschaftswahlen, die Flüchtlingskrise und die Brexit-Debatte aufgezeigt haben. Aber auch Themen wie soziale Medien und die Abhängigkeit von technischen Hilfsmitteln und dem Internet spricht er an.

Nach der Gospel-inspirierten Ballade „Don’t Worry“, in der er sich dem Leben in der Parallelwelt der sozialen Medien beschäftigt, hämmert sich die rauhe Punkrock-Hymne „1933“ geradezu in die Gehörgänge. Hier bezieht er ganz klar Position gegenüber den Breitbarts und Steve Bannons dieser Welt, die mit ihrer Propaganda immer wieder versuchen, Musikern das Wort im Munde umzudrehen. Zudem brüllt er auch den in den Medien so stark vertretenen Neonazis die Textzeile “If I was one of the greatest generation / I’d be pissed / I’d be screaming at my grandkids / That we already did this” entgegen. Im Refrain verpackt er die klare Nachricht an alle UKIP, AFD und Alt-Right-Wähler „Don’t go mistaking your house burning down for the dawn“ – Verwechselt nicht euer abbrennendes Haus mit der Morgendämmerung.

Frank Turner Be More Kind Albumcover Universal MusicMit dem Titelsong „Be More Kind“ wendet sich Frank Turner dem Weltgeschehen und dem gnadenlosen Tempo, in dem sich unsere Gesellschaft entwickelt, zu.  Er singt von der Zukunft, die im Nacken sitzt, von Mauern, die in aller Welt gebaut werden und von der Medienflut, in der man kaum noch erkennen kann, wer gerade ertrinkt oder noch zu retten ist. Dagegen setzt er seinen Wunsch nach Harmonie und Empathie. „In a world that has decided that it’s going to lose it’s mind / Be more kind my friends/ Be more kind“ – In einer Welt, die beschlossen hat, den Verstand zu verlieren müssen wir freundlicher werden. Musikalisch ist das Stück vor allem vom Aufbau her sehr spannend gestaltet. Im Laufe des Songs steigern Streicher und unaufdringliche Loops im Hintergrund die Intensität kontinuierlich. Im Brückenteil erreicht der Song seinen Höhepunkt, nur um zur nächsten Strophe wieder abzuflachen und Raum für den Text und den Gesang zu schaffen. Zum Abschluss wird der Song dann noch einmal gesteigert. Er lebt von der einfachen Struktur, die eng mit dem Text und den unaufdringlichen Loops verwoben ist.

„Make America Great Again“ ist ein Weckruf und ein Loblied auf die vielen vernünftigen und herzensguten Menschen, die der Sänger auf seinen ausgedehnten Tourneen trifft. „Let’s make America great again / By making racists ashamed again/ Let’s make compassion in fashion again“ Mit diesem Refrain fasst Frank Turner das Thema des kompletten Albums zusammen. Pompös und geradlinig lädt diese Hymne geradezu zum mitsingen ein. Sie schreit heraus, gemeinsam dem Rechtsruck in der Gesellschaft mit gesundem Menschenverstand und Weltoffenheit entgegenzutreten.

Diese Themen sind der rote Faden dieses Albums. Frank Turner schafft es, wieder ein spannendes Album zu machen. Dabei geht er neue Wege und probiert andere Arbeitsweisen aus. Für seinen letzten Longplayer „Positive Songs For Negative People“ benötigte er beispielsweise gerade einmal mal neun Tage im Studio. An „Be More Kind“ dauerte die Studioarbeit satte sieben Monate. Was auch hörbar ist. Die Songs sind insgesamt deutlich glatter produziert als bisher. Die Möglichkeit, sie immer wieder zu überarbeiten hat zur Folge, dass sie rhythmisch und klanglich sehr aufgeräumt und definiert sind. Die Einflüsse des Produzententeams Jenkins und Block auf den Gesamtsound sind hier unverkennbar. Trotz aller Synthesizer, Loops und Aufnahmetechniken, ist Frank Turner sich selbst und natürlich auch seinen Fans treu geblieben. Es ist keine 180°-Wendung, sondern eine klare Weiterentwicklung.

Seinen bisherigen Werdegang hört man immer wieder heraus. Herauszustellen sind hier der „21 Century Survival Blues“, „Brave Face“ und „Get It Right“. Hier hört man den Frank Turner, den seine Fans so lieben. Der nachdenkliche Singer-Songwriter mit Punkrock im Herzen. Dagegen stehen experimentelle Songs wie „Black Out“ und „Common Ground“, bei denen Synthies, Breakbeats und Loops, Elemente aus Pop, Jazz und Funk geschickt miteinander verbunden werden. Er hat etwas Neues ausprobiert und dabei gelernt. Herausgekommen ist ein anspruchsvolles, spannendes Album mit gesellschaftskritischer Note.  Jetzt darf man auf jeden Fall auf die Live-Umsetzung gespannt sein und darauf, was der talentierte Songschreiber sich als nächstes ausdenkt.

„Be More Kind“ von Frank Turner erscheint am 04.05.2018 bei Polydor / Universal Music (Beitragsbild: Plattencover).

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