Okkervil River: In The Rainbow Rain – Album Review

Okkervil River Pressefoto ATO Records

Okkervil River und die großen Gesten

Mit The Silver Gymnasium hat es sich bereits abgezeichnet, nach dem wesentlich introspektiven Away kommt die Hymnenhaftigkeit der neuen Okkervil River-Songs aber für einige vielleicht auch etwas überraschend. Auf In The Rainbow Rain finden Gruppengründer Will Sheff und seine neuen Bandmitglieder den goldenen Mittelweg zwischen The War On Drugs (was nicht verwundert, war Shawn Everett, der Mixer des Albums bei den Aufnahmen des letzten The War On Drugs-Albums A Deeper Understanding beteiligt) und Bruce Springsteen.

Gemeinsam mit seiner letzten Tour-Band, bestehend aus Gitarrist Will Graefe, Bassist Benjamin Lazar Davis, Keyboarderin Sarah Pedinotti und Cully Symington an den Percussion, hat Songwriter und Sänger Will Sheff zehn neue Tracks eingespielt, die zu den überwältigendsten seiner Karriere gehören. Wenn die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA etwas Gutes gehabt habe, dann um Songs zu schreiben, sagt Sheff über die Zeit der Albumentstehung. Den Frust kanalisierte der 41-Jährige in positive Songs und genau so klingen sie dann auch. Will Sheffs Americana ist auf In The Rainbow Rain mit so viel Pop gekoppelt wie selten zuvor bei Okkervil River.

Okkervil River In The Rainbow Rain Albumcover ATO RecordsWährend Sheff im edlen Eröffnungstrack „Famous Tracheotomies“ an seinen Luftröhrenschnitt als Kleinking erinnert und andere Betroffene wie Schriftsteller Dylan Thomas und The Kinks-Sänger Ray Davies ins Boot holt (zu schön natürlich noch der Einbau der „Waterloo Sunset“-Melodie am Ende des Songs), erreicht „The Dream And The Light“ Stadionrock-Atmosphäre. Roy Bittan-Piano, überbordende Saxophonsoli, Backing-Chöre, geschmetterte Refrains, quietschende Synthies, satte Drums und eine himmlische Melodie zwischen sanfter Melancholie und hinreißender Euphorie verursachen dauerhafte Gänsehautmomente auf knapp sieben Minuten Lauflänge. Dazu die Springteen-Schlagworte „wheels“, „radio“, „car ride“, „backseat“. Und dem verlorenen Traum, der Einsamkeit des Protagonisten stehen am Ende der „Maker of light“ und der „Maker of love“ entgegen. Ein unwiderstehlicher Song.

Nach so viel Opulenz kommen Okkervil River mit dem liebreizenden 80er-Pop von „Love Somebody“ runter, Prefab Sprout lassen grüßen. Sheffs wärmender Gesang wirkt im anschließenden, in versponnenen Dream-Pop-Regionen wildernden „Family Song“ innig und verletzlich, nur um im folgenden „Pulled Up The Ribbon“ wieder in nahezu bombastische Dimensionen zu katapultieren, da sind die Manic Street Preachers nicht mehr weit entfernt. Man wird von Okkervil River erschlagen und fühlt sich pudelwohl dabei.

Eine lässige Westcoast-Sixties-Pastiche gelingt Will Sheff mit „Don’t Move Back To LA“, verspielte Gitarrenklänge prägen das dahinschwebende „Shelter Song“, und kaleidoskopartig schimmert „How It Is“ in Roxy Music-Nähe. Okkervil River merkt man das Prätentiöse oft gar nicht an, es versteckt sich gerne an unauffälligen Stellen, siehe Song Nummer neun, „External Actor“. Mit einer sechsminütigen großen Geste, die in der verträumten Psychedelic-Ballade „Human Being Song“ aufgeht, verabschieden sich Okkervil River von In The Rainbow Rain und hinterlassen die eine mögliche Botschaft: „but, brother, I believe in love“. Ein Album, das man einfach lieben muss.

„In The Rainbow Rain“ von Okkervil River ist am 27.04.2018 bei ATO Records / PIAS erschienen (Beitragsbild: Okkervil River, Pressefoto).

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