David Constantine: Wie es ist und war – Erzählungen

 

Poetische und bewegende Geschichten

Wie es ist und war ist der erste in deutscher Sprache veröffentlichte Erzählband des englischen Schriftstellers David Constantine und es wird Zeit, diesen Namen einem größeren Publikum zuzuführen. David Constantine, Jahrgang 1944, lehrte 30 Jahre lang deutsche Sprache und Literatur in Durham und Oxford und war gemeinsam mit seiner Frau Herausgeber der Literaturzeitschrift Modern Poetry in Translation. Er übersetzte deutsche Klassiker wie Goethe, Hölderlin, Kleist und Brecht ins Englische, schrieb zwei Romane, diverse Erzählungen und zahlreiche Gedichte, von denen einige im Band Etwas für die Geister 2007 im Wallstein Verlag erschienen sind.

Sounds & Books_David Constantine_Wie es ist und war_Cover_Kunstmann VerlagDas nun vom Kunstmann Verlag herausgegebene Buch Wie es ist und war versammelt 17 Erzählungen und beginnt mit der Geschichte „In einem anderen Land“, das als Vorlage für den Film 45 Years von Andrew Haigh (mit Charlotte Rampling und Tom Courtenay in den Hauptrollen) diente. Der alte Mr Mercer erfährt von der Entdeckung der vom Eis konservierten Leiche Katjas, seiner ehemaligen deutsch-jüdischen Liebe, die in den 30er-Jahren bei einer Alpenwanderung im jungschwangeren Zustand in eine Gletscherspalte stürzte und keine Rettung erfuhr. Mr Mercers Erinnerungen kehren wieder und bringen die fünfzigjährige Ehe der Mercers ins Schwanken. Subtil, feinsinnig, feinfühlig und warmherzig nähert sich David Constantine seinen Figuren und erzählt die Veränderungen des Ehepaars Mercer in einer poetischen und geschliffenen Sprache.

Dieses zutiefst unter die Haut gehenden Stils bleibt sich Constantine in allen Erzählungen, in deren Mittelpunkt zumeist ältere Herren stehen, treu. Eine große Melancholie, Trauer und Einsamkeit zeichnen Constantines Helden und die Atmosphäre seiner Stories aus. Als tröstlich mögen viele der Protagonisten die britische Landschaftskulisse empfinden, das häufig auftauchende Wassermotiv, das für den Einzelnen durchaus zu einem bedrohlichen Szenario anwachsen kann. Die individuellen Brüche in den Lebensläufen der Herren scheinen nicht mehr reparierbar zu sein, eine zarte Traurigkeit beherrscht die Atmosphäre der Erzählungen.

Einen Hoffnungsschimmer am Horizont sieht allerdings Arthur Barlow in „Stark genug, um zu helfen“. Der alleinstehende, bald arbeitslose, der Lyrik verfallene 55-Jährige lernt bei einer, vom Ministerium für Kultur, Medien und Sport in Auftrag gegebenen, Umfrage die an seiner Haustür klingelnde Gladys kennen und schätzen. Wie es ist und war von David Constantine bietet ein Füllhorn an bewegenden und intensiven Erzählungen, die die Leser oftmals erschauern, aber niemals kalt lassen. Hier gehen Intellekt und Seele eine heroische Symbiose ein. Große Erzählkunst.

David Constantine: „Wie es ist und war“, Kunstmann, aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren, Leinen, 332 Seiten, 978-3-95614-198-0 , 24 €.

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