Saga live in Hannover 2017 – Konzertreview

 

40 Jahre Saga – Das letzte Kapitel

In der Rock- und Popmusik hat ja jeder so seine Favoriten und Lieblinge; Solokünstler oder Bands, die in unserer Biographie mehr Raum einnehmen als andere. Ihre Musik hat uns meist über mehrere Jahrzehnte hinweg begleitet und damit gleichzeitig wichtige Phasen unseres Lebens. Nicht selten lässt sie sich sogar mit tiefgreifenden persönlichen Erlebnissen in Verbindung bringen. Und nein, das muss nicht der erste Kuss gewesen sein.

In meinem Fall nimmt die kanadische Rockband Saga diesen Platz ein – seit nunmehr vier Dekaden. Erstürmt hatte sie ihn 1980. Mein Bruder hatte die Neo-Progrocker damals im Circus Krone in München gesehen und war mit einer großen, infektiösen Begeisterung und zwei Saga-Alben in seine norddeutsche Heimat zurückgekehrt. Humble Stance, Give Em The Money, Don’t Be Late , Too Much To Lose– das Vinyl wurde kaum noch gewechselt, nur die feine Nadel des Plattenspielers ständig zurückgesetzt.

Die fantastischen Cover, die mysteriösen Texte, unterteilt in eine noch mysteriösere Kapitelreihenfolge, sowie die verspielte, keyboardlastige und in breiten Soundteppichen ausgerollte Musik trafen nicht nur unseren Nerv, sondern womöglich auch den der Zeit. In den Kinos schlug gerade das Imperium zurück, das Stars-Wars-Fieber erreichte einen weiteren Höhepunkt, und die ARD ritt auf dieser Welle, zeigte jeden Samstagabend SF-Klassiker wie Das Ding aus einer anderen Welt. Das passte. Saga war für uns so ein Ding aus einer anderen Welt.

Gestern spielten sie vor ausverkauftem Haus in Hannover. Im Capitol. Es war nach 1982, 1983, 1995 und 1997 das fünfte Saga-Konzert, das ich besuchte. Zu wenig, um damit in ihrer hierzulande eisernen Fangemeinde Eindruck zu schinden, aber immerhin: Keine Band sah ich öfter.  Es werden nur leider keine weiteren Konzerte mehr hinzukommen. Saga befindet sich aktuell auf ihrer Abschiedstournee. Feierabend nach 40 Jahren.

Sie haben es sich verdient. 21 Studioalben, mehr als acht Millionen verkaufte Tonträger und über 1000 dokumentierte Konzerte füllen die Geschichte der Band; eine Geschichte mit vielen Höhen und Tiefen. Die erfolgreichste Zeit hatte Saga nachweislich zu Beginn der 80er Jahre, als ein gewisser Chris Rea noch in ihrem Vorprogramm schwitzen durfte und Hits wie Wind Him Up (1981) oder The Flyer (1983) von massenkompatiblen Radiostationen beachtet wurden.

Die folgenden Jahrzehnte waren hingegen oft von Auflösungserscheinungen begleitet (Schlagzeuger Steve Negus, Keyboarder Jim Gilmour und Sänger Michael Sadler stiegen ganz bzw. zeitweilig aus.) und von kleinen musikalischen Richtungswechseln, die von den Fans nicht immer mit der gewünschten Begeisterung quittiert wurden. Es zeigt jedoch, dass die Musiker stets an sich gearbeitet haben, sich weiterentwickeln wollten, und vielleicht konnten sie auch nur deshalb vier Jahrzehnte überleben.

Auf ihrer aktuellen Abschiedstournee, The Final Chapter, kann Saga jedenfalls aus Beidem schöpfen: aus dem gewaltigen Repertoire, das sie sich in 40 Jahren aufgebaut haben, und aus der Experimentierfreude, die sie schon immer auszeichnete. So begann das Konzert gestern im Capitol auch ganz anders als erwartet und völlig untypisch für ihren mit viel Elektronik durchdrungenen progressiven Rock, nämlich unplugged. Man hätte es nicht für möglich gehalten, aber es funktioniert: Nicht nur bei den ruhigeren Stücken wie Images (1979) oder The Security Of Illusion (1993), die man am ehesten für eine akustische Version in Betracht gezogen hätte. Auch The Perfectionist (1978) wurde auf Sparflamme serviert – und fühlte sich erstaunlich gut an.

Knapp 40 Minuten dauerte das Vorspiel, bei dem die Musiker sich als Pockets (ein früher Name der Band) präsentierten, als eigener Support Act sozusagen. Dann wurde in einer etwa 20minütigen Umbaupause die beschaulich bibliophile Kulisse beiseite gerollt und das schwere Arbeitsgerät aufgefahren. Hatte das Publikum dem wohnzimmerhaften Treiben auf der Bühne einstweilen neugierig, aber zurückhaltend zugeschaut, war nun die Zeit gekommen, klatschend, johlend und mitsingend in den klassischen Saga-Konzertmodus umzuschalten.

Den Anfang machte Take A Chance (1985). Danach zelebrierten sowohl Band als auch Fans in gewohnter Manier und beiderseits textsicher Klassiker, wie Careful Where you Step (1980), How Long (1978) und natürlich You’re Not Alone (1979). Aber auch jüngere, weniger bekannte Stücke, wie On The Air (2004), Book Of Lies (2007) oder Passagen aus dem 1995 veröffentlichten Konzeptalbum Generation 13 wurden zum Besten gegeben. Es war eine perfekte Mischung. Bis in die Zugabe hinein, wo sich The Flyer (1983), Don’t Be Late und Compromise (1980) feierlich aneinanderreihten, und das alles in einer bemerkenswerten Synchronizität zu den historischen Fotos und Filmen, die während des Konzerts auf der Leinwand im Hintergrund gezeigt wurden.

Eine 40jährige Rockgeschichte, komprimiert in zweieinhalb Stunden. Danke Saga! Es war ein würdevoller Abschied. Was bleibt, sind viele wunderbare Erinnerungen und der Griff in die prall gefüllte Plattenkiste. Vielleicht sollte ich meinen Bruder noch einmal nach München schicken.

 

»40 Years of SAGA«

Zum 40jährigen Bühnenjubiläum der Band erschien in diesem Jahr der hochwertige Bildband »40 Years of SAGA«. Erzählt wird auf 624 bildreichen Seiten die Geschichte der kanadischen Rockformation – von den Anfängen im Jahre 1977 bis heute. Weitere Infos und Bestellmöglichkeit gibt es unter http://susimueller.org

 

Beitragsfoto: © Hans-Willi Carl (Saga live am 03.11.2017 in Köln)

Kommentare

  • <cite class="fn">Uwe Ebberfeld</cite>

    Bin mit Saga in den 80ern musikalisch groß geworden, habe das einzige Konzert am Freitag miterleben dürfen und kann mich dem tiefen Eindruck und der Begeisterung nur anschließen.

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