Nils Wülker live in Hamburg 2017 – Konzertreview

 

Star-Trompeter ohne Star-Allüren

Egal welche Tätigkeit man immer und immer wieder macht, ob es das Sortieren der Ablage im Büro, das Umtopfen von Blumen oder das Geben von Konzerten ist, entsteht irgendwann Routine. Umso schöner ist es, auch nach einem Großteil einer Tour wirkliche Spielfreude in den Augen von Musikern aufblitzen zu sehen. Eben diese Freude gab es am 02. November 2017 im Mojo Club zu beobachten. Immer wieder kam es zu Augenblicken, in denen Jazz-Trompeter Nils Wülker ganz in der Musik aufzugehen schien und einfach begeisterte Blicke mit seinen Kollegen tauschte – mal beim Call & Response mit dem Gitarristen und mal während er gerade am Synthesizer ein beeindruckendes Solo eines Kollegen begleitete.

Auch wenn Nils Wülkers Name über der Veranstaltung steht, kam an diesem Abend zu keinem Zeitpunkt ein klares Star-Restmusiker-Machtverhältnis rüber. Gleich drei Mal stellte Wülker seine Mitstreiter im Laufe des Abends vor. Jeder einzelne der fünf-köpfigen Band hatte genauso viel Zeit um zu glänzen, wie der Frontmann an der Trompete – und jeder konnte glänzen! Ob Maik Schott an den Keyboards, Edward Maclean am Bass, Arne Jansen an der E-Gitarre oder Felix Lehrmann  am Schlagzeug, bewies jeder Musiker in zahlreichen virtuosen Soli sein Können. Im Grunde zählt jeder Einzelne aus der Band in seinem Metier zu der absoluten Spitze. Den freieren Stücken mit langen Instrumentalsoli standen an diesem Abend aber auch Titel in klarerer Songstruktur gegenüber.

Zur Tour seines 2015er Albums „Up“ suchte Wülker einen Sänger, um auch die Stücke mit Gastparts live aufführen zu können. Er fand dabei Rob Summerfield. Bei „On“ wurde der Wiener Sänger Summerfield nun schon von Beginn an eingeplant und ist auf mehreren Songs des Albums zu hören. Auch an diesem Abend performte er mit Wülker und Band unter anderem die Stücke „Never Left At All“, „Grow“ und „Season“. Sein gefühlvoller Gesang fügte sich absolut passend zu Wülkers nuanciertem Trompetenspiel – gerade am Ende der Zugabe „Season“ beeindruckte das leichte Nebeneinander von Stimme und Trompete.

Überwiegend hörten die Zuschauer im Mojo Club Stücke aus Wülkers letzten beiden Alben „Up“ und „On“. Dass Nils Wülker zuletzt immer mehr mit Synthesizern und Samples gearbeitet hatte, wurde schon am Bühnenlayout deutlich. Gleich fünf Klaviaturen versammelten sich auf der Bühne. und sowohl Bassist Maclean als auch Wülker selbst wechselten regelmäßig von ihrem eigentlichen Instrument an einen Synthesizer. Gerade die Stücke der ersten Konzerthälfte bauten sehr intensiv auf Pattern, die das musikalische Fundament bildeten – mal sphärisch maschinell wie zu Beginn von „Pull Of The Unknown“ und mal treibend wie bei „Wanderlust“.

Darüber hörte man das zurecht mehrfach ausgezeichnete Spiel von Nils Wülker. Mal eher smooth wie bei „Dawn“, dann eher funky und immer wieder absolut wuchtig. Gerade die Stücke mit freien und wilden Enden wurden vom Publikum mit besonders langem Beifall belohnt. Für den größten Applaus sorgte aber das älteste Stück des Abends. In einer deutlich verlängerten und freieren Version interpretierten Wülker und seine Band den Song „Safely Falling“ und schlugen den Bogen von einem treibenden Start über ein sehr ausgedehntes Synthesizer-Solo zu dem wirklich wuchtigen Abschluss. „Als wir das letzte Mal hier waren, hat Arne seinen Amp mit dieser Nummer zerschossen“, erzählte Wülker nach dem Stück. Solch charmante Moderationen durchsetzt von allerlei Anekdoten rundeten diesen wirklich gelungenen Abend ab.

(Beitragsbild: David Königsmann)

 

Kommentar schreiben