Selig: Kashmir Karma – Albumreview

 

Gemeinsam gegen die Kälte

2014 war wie eine Zäsur für Selig. Mit ihrem „Greatest Hits“-Album schlossen sie ein Kapitel ihrer Band-Geschichte. Gleichzeitig stieg Keyboarder und Gründungsmitglied Malte Neumann aus, Selig waren plötzlich nur noch zu viert. Eine gemeinsame Reise in die Abgeschiedenheit Schwedens sollte Klarheit bringen über die Fragen: War es das? Sind wir überhaupt noch Freunde? Was haben wir noch zu geben? Die Antwort heißt „Kashmir Karma“ und ist die beste Platte ihrer Karriere geworden, mindestens aber seit der Reunion 2009.

Sounds & Books_Selig_Kashmir Karma_CoverSchon der düstere Opener „Unsterblich“ macht klar, dass Selig hier keine halben Sachen machen. „Der Zeit ist ein Raum, die Welt ist ein Traum“ singt Jan Plewka immer wieder über hallgeschwängerte Gitarren. Die Atmosphäre ist schwer, fast bedrohlich. Die Band begibt sich in hypnotische Sphären. Das ist mal eine Ansage. Und selig halten diese Intensität: „Nimm mich so wie du bist“ ist der erste Hit-Kandidat der Platte und basiert auf einem hypnotischen Gitarrenriff und kennt nur eine Richtung: schnörkellos geradeaus. Es folgt mit der Ballade „Wintertag“ das nächste Highlight – ein melancholisches Stück mit besonders starkem Auftritt von Gitarrist Christian Neander. Und so folgt Hochkaräter auf Hochkaräter: Das funky „DJ“, der Veranda-Bluesjam „Zu bequem“ mit Norman Greenbaum-Gitarre oder das sehnsuchtsvolle „Unterwegs“.

Selig spielen auf „Kashmir Karma“ mit einer Ernsthaftigkeit und einer Hingabe, die Bands wohl nur erreichen können, wenn sie auf der Kippe standen, durch Krisen gegangen sind und doch wissen, was sie einander haben. Im Quartett sind zudem die Verbindungen der einzelnen Mitglieder zueinander noch kürzer. Alles klingt, als wäre es Stirn an Stirn eingespielt, mit maximaler Nähe zueinander. Selig wärmen sich aneinander, gegen die immer kälter werdende Welt da draußen. Ebenfalls auffällig: In Plewkas Texten hat das Wissen um die eigene Vergänglichkeit Einzug gehalten. Sein schonungslos offener Umgang mit Gefühlen und Gedanken heben diese Platte ab von so vielen gutgemeinten, aber inszenierten Veröffentlichungen anderer Musiker. „Kashmir Karma“ ist ein dickes Ausrufezeichen einer Band, deren größter Trumpf ihre Ehrlichkeit ist. Selig haben das nächste Level ihrer Karriere betreten.

„Kashmir Karma“ von Selig erscheint am 03.11.2017 bei Columbia / Sony Music.

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