The National live in der Hamburger Elbphilharmonie – Konzertreview

 

Edel, gut und schön

Am Ende überraschen The National dann doch. Die zweite Zugabe widmen sie dem US-Präsidenten und covern „The KKK Took My Baby Away“ von den Ramones. Eine willkommene Abwechslung eines fast schon zu gediegenen Konzertes der amerikanischen Indie-Rock-Band am 21.10.2017 in der Hamburger Elbphilharmonie. Oder fügt sich das Quintett, an diesem Abend durch Gastmusiker auf acht, teilweise neun Mitglieder erweitert, darunter Lisa Hannigan als Gesangspartnerin für Matt Berninger, der gedämpften Atmosphäre des neuen Hamburger Musiktempels?

Trotz der vielen Musiker auf der Bühne bleibt der Sound im ausverkauften Großen Saal der Elbphilharmonie zumeist mehr als dezent, die zusätzlichen Bläser und Keyboards halten sich vornehm zurück. Berninger und die Brüderpaare Aaron und Bryce Dessner sowie Bryan und Scott Devendorf an Gitarren, Keyboard, Bass und Schlagzeug packen mit Ausnahme von „Empire Line“ das komplette neue Album Sleep Well Beast auf die Setlist, allein die ersten vier Songs mit „Nobody Else Will Be There“, „The System Only Dreams In Total Darkness“, „Walk It Back“ und „Guilty Party“ stammen von der aktuellen, im September veröffentlichten Platte. The National verbreiten eine edle Melancholie im Saal, die einen oft an Tindersticks denken lässt.

Auf ein Uptempo-Stück folgen mindestens zwei, häufig gar mehr, elegante und schwermütige Balladen. Natürlich sucht Sänger Matt Berninger bereits während des zweiten Songs am Bühnenrand die Verbindung mit dem Publikum, verwirklicht den Körperkontakt aber erst wie gewohnt bei „Bloodbuzz Ohio“, das an sechster Stelle folgt, bei dem er es sich nicht nehmen lässt, auch in der Elbphilharmonie wie ein Messias durch einige vordere Reihen zu wandeln. Der erste Konzerteuphorieschub, der durch einige anmutige und sensible Lieder („Born To Bag“, „I’ll Still Destroy You“, „I Need My Girl“, „Dark Side Of The Gym“) wieder reduziert wird. Beim wilden „Turtleneck“ holt sich Berninger kurzfristig einen Fan auf die Bühne und schreit sich den Hals aus dem Leib. Anschließend obsiegt wieder das Bedächtige im Vortrag, bevor es mit „The Day I Die“ auch schon auf die Zielgerade geht.

Man windet sich bereits innerlich, ob des Fehlens zahlreicher High Violet-Klassiker wie „Afraid Of Everyone“ oder „England“, die diesmal leider nicht auf dem Programm stehen. Stattdessen noch ein großes Crescendo bei „Fake Empire“ und ein elegantes „About Today“ zum Abschluss. Die erste Zugabe „Lucky You“ befeuert die erhabene Atmosphäre des The National-Auftritts und nach dem Ramones-Cover ist Matt Berninger dann bei „Mr. November“ nicht mehr zu halten, gleichzeitig explodiert die Band in seinem Rücken, bevor ein stürmisches „Terrible Love“ ebenfalls die extrovertierte Seite  des The National-Frontmannes offenlegt. Mit der Unplugged-Version von „Vanderlyle Crybaby Geeks“ folgt dann die endgültige Verbrüderung mit den Fans und ein gebührendes Ende eines insgesamt soliden und souveränen Konzertes mit edler und schöner Musik.

(Beitragsbild: Peter Hundert)

Kommentare

  • <cite class="fn">Leslie Nielsen</cite>

    Oh, da hat sich aber ein wahrhafter Versteher des Rock’n Roll und Undergrounds verewigt, Chapeau Claas. The National mit Nickelback zu vergleichen, wow, das ist ja mal ne richtige Ansage. Nur leider überhaupt nix verstanden. Und so’n dummes Zeug habe ich schon seit langer Zeit nicht mehr gelesen.
    Natürlich ist Nick Cave unverändert toll, ich habe das Konzert ebenfalls gesehen, nur gehört der inzwischen auch zum Leserkreis des Hamburger Abendblattes.

    • <cite class="fn">Claas</cite>

      LIebe Leslie, Repliken sollte man immer mit Inhalt füllen – sonst bleiben es bloß Behauptungen und da könnte ja jeder Helene Fischer kommen und rumschwurblen. Also entweder die Meinung begründen oder vielleicht doch besser auf einen Kommentar verzichten. Letzteres wäre in Deinem Fall souveräner gewesen.

  • <cite class="fn">Claas</cite>

    Auch nach mehrmaligem drüber schlafen, ist es mir ein Rätsel, wie man dieses Konzert als wunderbar empfinden konnte. Es waren 2 Stunden amerikanischer Mainstreamrock, der zu keiner Zeit dem Vergleich mit einem Nick Cave Konzert standhalten konnte – Nickelback wäre angebrachter gewesen.
    Matt Berninger wirkte meist selbstverliebt und wurde von den vorderen Rängen für jedes Wort frenetisch beklatscht – auch wenn er nur die unterschiedliche Bechergröße in Amerika und Deutschland feststellte. Ja, seine Stimme ist warm und voll, aber sein Rumgehampel und Luftgitarrespiel blieb immer attitüdenhaft, seelenlos und unauthentisch.
    Am Ende war es tatsächlich ein Konzert für den Leserkreis des Hamburger Abendblatts – den eher konservativen hanseatischen Langweiler, der echte Emotion auf der Bühne nicht vom Gepose eines Sängers unterscheiden kann, der unterm Strich ungefähr so lässig wie der Chef einer Werbeagentur daherkam.

  • <cite class="fn">Paul Westerberg</cite>

    Vielleicht hättet Ihr mit Eurer Rezension des Konzertes noch ein wenig warten und ne Nacht drüber schlafen sollen. Das Konzert war für mich keineswegs nur solide, sondern wunderbar, und neben Nick Cave und The Bats (NZ) Konzert des Jahres…hochemotional, mit vielen großartigsten Rock’n Roll Momenten. Habt Ihr schlecht gesessen und gehört? Mich wundert Eure Zurückhaltung bei einem derart denkwürdigen Ereignis, zumal Ihr sonst auf Eurer Website jeden Scheiß hochlobt und nur sehr selten Musik mal negativ-kritisch seht..
    Da lobe ich mir ausnahmsweise das Hamburger Abendblatt, das hat für mich alles sehr viel besser auf den Punkt gebracht.

Kommentar schreiben