Madonna und der künstliche Firlefanz
Madonna hatte mal alles, was Pop ausmacht: den Look, die Songs, die Moves. Und sie wusste zu provozieren. Mit nackter Haut und erfrischender Tabulosigkeit öffnete sie Türen für Frauen im Pop-Business. Madonna hatte ein Rebel Heart. Mit der Jahrtausendwende schien es jedoch, als verlöre sie zunehmend den Anschluss an den Zeitgeist. Ihre Songs wurden nicht nur belangloser, ihr angestrengter Versuch, ihrem Körper das Altern zu verweigern, bewirkte beim Betrachter genau den gegenteiligen Eindruck. Und so mischte sich zuletzt immer auch ein wenig Wehmut und Tragik in ihre verzweifelten Rufe nach Aufmerksamkeit.
Die Rebel Heart-Tour war die zehnte Welt-Tour von Madonna. Sie führte die Sängerin zwischen September 2015 und März 2016 in 82 Shows rund um den Globus. Die Tickets wurden in Rekordtempo verkauft, Zusatzshows installiert. Das vorliegende CD/DVD-Paket dokumentiert nun in Bild und Ton diese Show, mit der Madonna wieder zurück zu alter Stärke finden wollte. Aber ist ihr das auch gelungen?
Leider nicht. Madonna interpretiert ihre Konzerte immer noch als enormes Spektakel, als Kostümball, als eine Art Musical. Acht Musiker, 30 Tänzer, jede Menge Effekte: Der Aufwand ist enorm, der Ertrag jedoch gering. Die Band spielt die Songs – ein Querschnitt aus 35 Jahren Karriere – in zeitgemäßem Sound, darf ihr Korsett aber zu keiner Zeit verlassen. Ecken und Kanten, Feeling oder Soul kommen so nie auf. Das mit lateinamerikanischen Rhythmen versehene Medley aus „Dress You Up“ und „Into The Groove“ bleibt dadurch ebenso Alibi wie das mit einem 30er-Jahre-Swing eingeleitete „Music“ oder das als Alibi-Flamenco verkleidete „La Isla Bonita“. Auch „Material Girl“, das modern klingen soll, wurde seines Grooves beraubt.
Madonna sieht fantastisch aus, bewegt sich erstaunlich und singt ganz passabel. Was nervt, ist dieser künstliche Firlefanz, diese Verflachung sämtlicher kultureller Elemente. Madonna degradiert alles zu Zuckerwatte, zum Zierwerk, zur Nebensache. Selbst wenn sie sich bei „True Blue“ zunächst allein auf der Ukulele begleitet, mag kein Zauber entstehen, weil um sie herum eine Schar einstudiert grimassierender Tänzer sitzt, die jede Form von situativer Emotion verhindert. „La Vie En Rose“ wiederum ist sogar komplett versemmelt, wird am Ende mit einem ausgedehnten „Lalala“-Part zur Ballermann-Nummer. Unangenehm ist zudem zum Teil die filmische Bearbeitung des Mitschnitts. Da werden einzelne Sequenzen geloopt oder in Slow-Motion gezeigt, was den artifiziellen Anstrich der Show noch weiter unterstreicht.
Jetzt mag man sagen, das sei nun mal Pop. Stimmt aber nicht. Es gibt auch Pop-Shows mit Herz und Tiefgang. Shows, in denen nicht auf Knopfdruck zwischen Party- und Pseudobetroffenheit geswitched wird. Aber vielleicht ist das auch nur die Sicht eines enttäuschten Fans aus Jugendtagen. Vielleicht ist das alles auch gar nicht so wichtig. Es ist dann nur schade, denn es gab eine Zeit, da war sie es.
„Rebel Heart Tour“ von Madonna erscheint am 15.09.2017 bei Universal / Eagle Vision (Beitragsbild: Josh Branda).
Selber hinstellen und besser machen, würde ich mal behaupten.
Und immer das thematisieren ihres Alters. Lächerlich…wenn Mick Jagger auf der Bühne rumstolziert und rumhüpft, stört es ja auch keinen. Da ist so ziemlich jeder begeistert. Und es ist natürlich in keinster Art und Weise tragisch.
Du schreibst: „Sie führte die Sängerin zwischen September 2015 und März 2016 in 35 Shows rund um den Globus.“
Sie hat aber 82 Konzerte gegeben. 36 allein in Nordamerika.
https://de.wikipedia.org/wiki/Rebel_Heart_Tour
Vielen Dank für die Berichtigung. Ist nunmehr im Artikel korrigiert.