Helgen: Halb oder gar nicht – Albumreview

 

Facettenreicher, deutschsprachiger Indie-Pop-Rock aus Hamburg

„Schlechte Ideen probieren wir aus; Egal welches Fenster, wir lehnen uns raus“ sing Helge Schulz im Titeltrack „Halb oder gar nicht“. Das Problem: Auf dem Debütalbum der Hamburger Band Helgen sind schlechte Ideen nicht zu finden. Und damit kann sich das Trio weit aus dem Fenster lehnen, eine Absturzgefahr besteht nicht. Sänger, Texter und Gitarrist Helge Schulz, Bassist Niklas Beck und Schlagzeuger Timon Schempp lernten sich beim Popmusik-Studiengang in Hannover kennen, musizieren als Band seit 2014 zusammen, brachten ein Jahr später die EP Gerne, gerne, gerne heraus, spielten sich u.a. als Support von Torpus & The Art Directors in den Fokus, gaben an die hundert Konzerte in den letzten zwei Jahren und wartet nun mit dem Album Halb oder gar nicht auf.

Sounds & Boosks_Helgen_Halb oder gar nicht-CoverDas Warten auf das Album hat sich gelohnt, schließlich erfüllt das von Olaf Opal (The Notwist, Die Sterne) produzierte Halb oder gar nicht die Erwartungen, die Helgen in der Vergangenheit schürten. Der Helgen-Indie-Pop-Rock ist einer, dessen Ideen sich in Details manifestieren, der sich beim Hörer auf intelligente Art einschmeichelt, sich ihm entzieht und wieder auf ruhmreiche Weise zurückkehrt. Außerdem besitzt Helge Schulz einen Wortwitz (höre nach beim ausgelassenen Seventies-Garage-Blues-Rock-Pop von „Peter & Paul“), der seinen Texten das besondere Etwas verleiht, die manchmal bitter-böse-ironisch sein können („Ich will den Leuten sagen, dass ich sie schieße finde; Ich will, dass Leute sagen, wenn sie mich scheiße finden“ aus „Lass uns Feinde sein“) und manchmal harte Wahrheiten aussprechen („Endlich geht’s mir wieder schlecht…Endlich geht’s mir nicht mehr gut“ aus „Schlecht“).

Dass Helgen ausgerechnet jene Zeilen in einen fast verträumten, jedenfalls sehr charmanten Indie-Pop mit lieblichen Keyboardpassgen gießen und nicht in Schwermut ertränken, zeigt das Überraschungsmoment dieser Band. Helgen schütteln auch mal einen brachialen Indie-Rock-Song aus dem Ärmel („Alles was wahr ist“), aber dann mit einer artifiziellen Attitüde zwischen The Beatles und Pavement. Aber da ist auch dieses unbeschwerte, originelle, witzige, an Peter Licht erinnernde „Fernsehturm“. 0815-Melodien sind Helgens Sache nicht. Über dem geschüttelten Rhythmus bei „Das Rätsel“ säuseln Keyboard und Glockenspiel und das lakonisch beginnende „Hamburg & Amsterdam“ entfaltet seine Überzeugungskraft in einem Indie-Rock-Wall-Of-Sound. Eines von vielen Highlights auf Halb oder gar nicht. So facettenreich kann deutschsprachiger Indie-Pop-Rock sein.

„Halb oder gar nicht“ von Helgen erscheint am 04.08.2017 bei Chateau Lala / Broken Silence (Beitragsbild: Gérard Otremba).

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Kommentar schreiben