Arno Frank: So, und jetzt kommst du – Roman

 

Eine wahre, ergreifende Familiengeschichte in Romanform

Auf Seite 102 kehrt er zurück, der Duft nach Autositzpolster und Zigarettenrauch. Er kehrt natürlich nur bei Menschen zurück, die einen rauchenden, autofahrenden Vater hatten, in den 80er-Jahren aufwuchsen und auf dem Rücksitz mitfuhren. Andere Erinnerungsfetzen aus den 80ern sind in Arno Franks Debütroman So, und jetzt kommst du wesentlich konkreter. Der Reaktorunfall von Tschernobyl, die Challenger-Katastrophe, Fernsehsendungen wie Hart aber herzlich, sowie diverse Sportereignisse sind mögliche biographische Schnittstellen zwischen Autor und Lesern jenseits der 40. Damit sollten sie Gemeinsamkeiten jedoch ein Ende gefunden haben, denn Arno Franks Geschichte ist eine abenteuerliche, die sich von den meisten anderen zutiefst unterscheidet.

So, und jetzt kommst du ist einer der wohl autobiographischsten aller autobiographischen Romane. Der 1971 geborene Arno Frank wächst mit seinen Eltern und zwei jüngeren Geschwistern in der Nähe von Kaiserslautern auf. Sein Vater Jürgen ist ein Trickser, der mit halbgaren Geschäften über die Runden zu kommen versucht und seinen Sohn häufig darauf hinweist, dass die Welt betrogen werden will und „dass alle bescheißen“. Aus der Perspektive des Kindes hat die väterliche Welt zunächst etwas Magisches und Faszinierendes. Läuft es mit dem Betrügen mal nicht so rund, flattern amtliche Behördenschreiben ins Haus und die Familie ist zum Umzug gezwungen. Eines Tages, Mitte der 80er, erfolgt in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ein als längerer Urlaub getarnter Umzug nach Südfrankreich.

Eine Flucht vor der Polizei und Interpol, wie es sich herausstellt, denn sein Vater hat 300 000 DM unterschlagen. Geld, das für ein Leben mit allen Bequemlichkeiten an der Côte d’Azur ausreicht. Aber auch das unbeschwerte, mediterrane Dolce Vita erfährt ein jähes Ende, das Geld ist aufgebraucht, die Fahnder nehmen die Spur auf. Es folgt eine beispiellose Versteckreise quer über den Kontinent, nach Portugal, Paris, zurück in die Pfalz, nach München und hin bis zum End- und Wendepunkt in der tiefsten bayerischen Provinz. Es geht stetig bergab mit den Franks, sogar ein familiärer Suizid wird vom Vater angedacht.

Sie schlittern von einem Tiefpunkt in einen „noch tieferen Tiefpunkt“, um es mit den Worten Rudi Völlers zu formulieren. Man möchte nicht wirklich mit Arno Frank tauschen, der seine Familienchronik schonungslos, aber auch mit einem ironischen Augenzwinkern erzählt. Frank, der als Journalist u.a. für die taz, Spiegel Online, Die Zeit und den Musikexpress arbeitet, vermag mit seinem forcierten Schreibstil zu fesseln, mitzureißen und zu berühren. So, und jetzt kommst du ist ein ergreifendes, zwischen Roadnovel, Krimi, Tragöde, Abenteuer- und Bildungsroman changierendes Debüt.

Arno Frank: „So, und jetzt kommst du“, Tropen, Hardcover, 352 Seiten, 978-3-608-50369-2, 22 €.

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