Haim: Something To Tell You – Album Review

 

Der Gute-Laune-Soundtrack des Sommers 2017

„This is one of the first times we have people up waiting to see us play new songs“, sagt eine der Haim-Schwestern im Teaser zum neuen Album “Something To Tell You“. Haim ist ein hebräischer Trinkspruch, erklären sie selbst, bedeutet so viel wie „Leben“ und das passt zu Este, Danielle und Alana Haim sprichwörtlich wie die Faust aufs Auge. 2013 erschien mit „Days Are Gone“ das Debüt der Amerikanerinnen und das brachte über Nacht den Durchbruch auf dem internationalen Musikmarkt. Die Künstlerinnen überzeugten von Beginn an mit viel handwerklichen Können und einem Soundgemisch, das sich seitdem von anderen Produktionen maßgeblich abhebt und fast Alleinstellungsmerkmal hat. Zum Repertoire gehören Nummern, die eher poplastig sind, immer aber in guter Balance mit eindringlichen Drums und rockigen Gitarren stehen.

„Für jeden etwas“ scheint das Motto der Musikerinnen zu sein und so wundert es nicht, dass sie Kooperationen mit Calvin Harris, oder Coversongs von Miley Cyrus und Sheryl Crow nicht scheuen. Wer die drei schon mal live erlebt hat, weiß, dass die Schwestern eindrucksvoll die Bühne rocken. So mancher Song erinnert in diesem Kontext dann immer wieder an Größen wie z.B. Fleetwood Mac, die von Haim selbst auch als maßgebliche Vorbilder für ihren Stil genannt werden. Schnell legendär wurde bei Konzerten das „Bassface“ der ältesten Schwester Este, das in sozialen Netzwerken seitdem das Aushängeschild der Band ist.

Sounds & Books_Haim_Something To Tell You_CoverDass Haim an der Spitze der Top-Musikerinnen angekommen sind, zeigen dann auch die Musikvideos zu den ersten beiden Singleauskopplungen des neuen Albums „Want You Back“ und „Right Now“. Nicht nur, dass beide Videos eher ungewöhnlich im One-Take aufgenommen wurden, die Schwestern bekamen außerdem prominente Unterstützung von Regisseur Paul Thomas Anderson („The Master“, „There Will Be Blood“, „Magnolia“) und Jake Schreier („Margos Spuren“, „Robot & Frank“), der sie in den leeren Straßen von LA performen lässt. In diesem Kontext verstummt dann auch der letzte Zweifler, denn Haim zeigen, sie haben musikalisch richtig was auf dem Kasten, sind cool, energetisch und betrachten den Rummel um ihre Personen immer mit einem kleinen Augenzwinkern.

Nach dem rasanten Aufstieg war die Erwartung an “Something To Tell You“ entsprechend groß. Das Album, das bereits Ende 2016 erscheinen sollte, zählt elf neue Songs, die sehr persönlich vom Leben und Lieben erzählen. Alle Lieder haben großes Potential, denn die Haim-Schwestern haben nichts von ihrer Kreativität auf den endlosen Touren der letzten Jahre eingebüßt und überzeugen auch auf diesem Album mit den einzigartigen Arrangements der Songs. In der gemäßigten Nummer „Night So Long“ ist beispielsweise dermaßen viel Tiefgang, dass man am Liebsten tagelang dem Trübsinn verfallen möchte. Das große Manko von “Something To Tell You“ allerdings ist die Überproduktion.

Viele Songs wirken zunächst gleichförmig, elektronisch und R’n’B-lastig, was den Damen eigentlich so gar nicht zu Gesicht steht. Die Haim-Schwestern verschwimmen plötzlich zwischen stark überzeichneten Soundeffekten, die an 80er-Jahre-Produktionen erinnern, aber nicht so richtig zum Stil der Lieder passen wollen. Man könnte nun meinen, die Instrumente rund um die eindringliche Stimme von Frontfrau Danielle wären komplett am Computer gemixt, dabei aber geht leider verloren, dass die Schwestern seit Kindheitstagen  Multiinstrumentalistinnen sind. Nimmt man aber das Manko der Soundmischung raus, hört man, dass in dem Album sehr viel Tiefsinn, eine Menge Arbeit und sehr viel Leben steckt. “Something To Tell You“ hat trotz Schwächen das Zeug, der Gute-Laune-Soundtrack des Sommers 2017 zu werden.

„Something To Tell“ von Haim erscheint am 07.07.2017 bei Vertigo / Capitol / Universal Music.

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