Holly Macve live in Hamburg – Konzertreview

 

Ein Engel in der Prinzenbar

Das schwülwarme Wetter vom Donnerstag, als Sounds & Books mit Kevin Morby im Nochtspeicher unterwegs war, verwandelte sich am Freitag in einen ungemütlichen Dauerregenguss mit Temperaturen deutlich unter 20 Grad. Der Himmel öffnete seine Schleusen, es war wettertechnisch einer der trostlosesten Sommertage Hamburgs. Einen solch deprimierenden Tag muss man als Musikenthusiast mit einem schönen Konzert ins Gegenteil verkehren, auch wenn die Überwindung groß ist, hierzu den Fuß ins unwirkliche Nass setzen zu müssen. Da traf es sich gut, dass am eben gestrigen 30.06.2017 Holly Macve in der Prinzenbar gastierte, die mit ihrem faszinierenden, Anfang März veröffentlichten Debütalbum Golden Eagle nicht nur bei Sounds & Books für Furore sorgte.

Die 21-jährige irische Songwriterin, die im englischen Brighton lebt, brachte als Support die gleichaltrige britische Musikerin Brooke Bentham mit, die mit ihrer dreiköpfigen Herrenband einige vitale Songwriter-Indie-Pop-Songs spielte. Bentham lebt von einer ausdrucksstarken Stimme, die sich während des Gigs immer wieder im gar flehentlichen Gesang bewährte. Starke Melodien hatte sie auch parat, ein Album ist hoffentlich in Planung. Ein Name, den man sich auf den Merkzettel schreiben sollte.

Mit ihrer ebenfalls drei Männer starken Band im Rücken zog Holly Macve die Besucher von der ersten Sekunde in ihren Bann, als sie das unendlich traurige, schmerzhafte und schaurig-schöne „The Corner Of My Mind“ nur in Gitarrenbegleitung anstimmte. „Follow me into the dark“ heißt es im Eingangsvers des anschließenden „Heartbreak Blues“ und wir folgen nur allzu willig, wenn die Dunkelheit von einem Engel Namens Holly Macve besungen wird. Es ist ja nicht nur ihre wallende güldene Haarpracht und ihre sirenenhafte Stimme, die an himmlische Bewohner denken ließ. Holly Macve verzauberte mit ihrer entrückten Art zu singen, den häufigen Blicken auf einen weit entfernten Punkt an der Prinzenbar-Decke und den zarten Country-Folk-Arrangements, die dezent von ihrer Gitarren-Bass-Schlagzeug-Band ins Szene gesetzt worden sind. Macve besitzt außerdem die Gabe, schmallippig durch ihre Zähne singen zu können.

In jedem der lediglich neun Songs atmete sie schnell stimmliche Höhenluft und jeder Song zeugte von einer magischen Intensität. Herausragend die poetische Piano-Ballade „Golden Eagle“. Wenn Herzschmerz immer so anmutig wäre, suhlten wir uns jeden Tag in ihm. Viel Schwermut und Schmerz liegt in Macves Texten und Kompositionen, live, wie beispielsweise ebenfalls im bewegenden „Shell“, noch ergreifender als bereits auf dem alle Tiefen auslotenden Album. Die Coverversion von Patsy Clines „Crazy“ geriet zu einem romantisch angehauchten Sehnsuchts-Country-Folk, in „No One Has The Answers“ ließ Macve ihre Band kurzfristig von der Leine, am Ende jedoch stand sie allein mit ihrer Gitarre da und sang „Sycamore Tree“, ein Song, der jedes Herz erweichen lässt. Auf dem Heimweg regnete es noch immer. Aber selbst wenn sich in Hamburg die Hölle aufgetan hätte, es wäre egal gewesen, schließlich begegnete ich einem Engel, einem Engel in der Prinzenbar.

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