Bill Frisell & Thomas Morgan: Small Town – Album Review

Ein entschleunigter Volltreffer

Jim Hall & Ron Carter, Pat Metheny & Charlie Haden, Joe Pass & Niels-Henning Orsted Pedersen: Die Liste der Gitarre/Bass-Duo-Alben im Jazz ist prominent besetzt, aber erstaunlich kurz. Auch Bill Frisell hat in seiner an Experimenten so reichen Karriere bislang kein reines Duett-Album mit einem Bassisten eingespielt. „Small Town“ ist also auch für den 67-Jährigen Neuland. Gemeinsam mit Thomas Morgan, der bereits für Größen wie Tomasz Stanko, Jakob Bro, David Virelles und Masabumi Kikuchi gespielt hat, entwickelt Frisell in den acht Stücken dieses Albums eine Intensität wie selten zuvor in seiner Karriere.

Live eingespielt im März 2016 im ehrwürdigen Village Vanguard, skelettieren Frisell und Morgan ihre Eigen- und Fremdkompositionen bis auf den Kern. Sie seien beide stille Charaktere, sagte Frisell. Ihrem Zusammenspiel hört man das an. Große Posen und Effekthascherei sparen sich die beiden, rücken stattdessen die Komposition in den Blickpunkt und verzieren sie mit kleinen, lyrischen Ornamenten und harmonischen Interferenzen. Schon der Opener „It Should Have Happened A Long Time Ago“, eine Komposition des großen Paul Motian, Wegbegleiter der beiden, nimmt den Ton des Albums vorweg. Mit stillen Tönen, fast zaghaft interpretiert, wird dieser Song zum andächtigen Tribut an einen ihrer Helden. Die stillen Töne bestimmen diesen knapp 70-minütigen Mitschnitt.

Ein weiteres Beispiel dafür ist das melodiöse „Song For Andrew No 1“, das dem Drummer Andrew Cyrille gewidmet ist. Frisell führt hier an, Morgan folgt ihm unterstützend. Höhepunkt der stillen Nummern ist jedoch ganz klar der Titeltrack. Frisell zeigt hier sein Gespür für Melodien und Sounds und schwebt zwischen den Genres. Dass die beiden auch das Uptempo beherrschen beweisen sie zum einen im swingenden „Wildwood Flower“ und dem mitreißenden Fats Domino-Cover „What A Party“. Am Ende des Sets steht dann mit dem James Bond-Titeltrack „Goldfinger“ ein besonderer Leckerbissen.

Frisell und Morgan bleiben der Struktur des Originals treu, streichen jedoch den orchestralen Pomp der Vorlage und fördern dadurch den Abgrund des Tracks viel deutlicher zutage. Am Ende des Stücks hört man das Publikum begeistert lachen ob des großen Einfallsreichtums und perfekten Zusammenspiels der beiden Protagonisten. Und so ist „Small Town“ ein intensives, aufregendes und in weiten Teilen herrlich entschleunigtes Album geworden, das dem reichen Kanon Frisells eine relevante neue Komponente hinzufügt. Die für ECM typische lupenreine Produktion trägt ebenfalls zum Hörvergnügen bei. Ein Volltreffer.

„Small Town“ von Bill Frisell und Thomas Morgan ist am 26.05.2017 bei ECM Records / Universal erschienen.

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