Little Cub: Still Life – Albumreview

Tanzbare Melancholie

Mit ihrem Debüt Still Life ist dem Londoner Trio Little Cub ein echter Wurf gelungen. Es ist ein sorgsam produziertes, dynamisches Album, das vertrauten und eingängigen Elektro-Pop mit Techno, House und Ambient verschmelzen lässt und dabei einen modernen eigenen Stil entwickelt. Unwiderstehlich ist die Mischung aus Leichtigkeit und Melancholie, die sich als wiederkehrendes Element auf Still Life entpuppt, wenn Sänger Dominic Gore sich zum Beispiel in die Leere der menschlichen Seele begibt und dabei seine poetischen Texte mit klarer, heller Stimme über zuckersüßen Melodien vorträgt.

So entfaltet sich bereits der mit House-Beats garnierte, tanzbare Opener „Too Much Love“ zu einem scheinbar heiteren Pop-Song, der sich jedoch in zynischer Weise mit männlicher Gefühlskälte, Selbstbezogenheit und der Unfähigkeit zur emotionalen Bindung auseinandersetzt („I’ve had my share and taken more than I’ve given / but when the choice is mine I’d rather not think / so if you’re feeling like I take you for granted / I’m very sorry feelings just aren’t my thing“). Emotionale Leere ist aber nur ein Thema, das auf Still Life verarbeitet wird.

Im treibenden Track „Hypnotise“ zieht Gore eine vernichtende Bilanz zu Politik und Establishment. Dabei entlarvt er den Erzähler gleichzeitig als Heuchler, der Missstände in hohlen Phrasen anprangert und sich selbst in die Bequemlichkeit seiner eigenen Genusssucht und Untätigkeit zurückzieht („We want to fight / and drink and dance and smoke and stay up every night / If education is a right then it’s my right / to simply soak it up and piss it all away“).  Mit „Snow“ schlagen Little Cub ruhige, traurige Töne an. Es ist eine sphärische Hommage an Gores verstorbene Mutter, ein stiller Abschied („the reddest of eyes / the coldest goodbye from you“) und der einzige Song, in dem Gores Gesang eine geradezu spürbare Fragilität annimmt.

Viele der Texte des Albums entstanden ursprünglich in Form von Gedichten, die der Sänger in seiner Trauer um die Mutter verfasste, und „Snow“ haftet das Lyrische noch am deutlichsten an. Little Cub zeigen auf Still Life mit dem Finger auf die Stellen, die wehtun. Die Unmittelbarkeit, mit der dies geschieht, und die bisweilen aufkommende Unbeschwertheit der Pop-Arrangements wischen den Schmerz jedoch nicht weg. Im Gegenteil: Es ist gerade die wiederkehrende Diskrepanz zwischen (musikalischer) Form und Textinhalt, die beim Hören zur Reflexion anregt.

„Still Life“ von Little Cub erscheint am 28.04.2017 bei Domino

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