Gurr live in Hamburg – Konzertreview

Garagen-Punk-Rock aus Berlin und Rhener Romantik am 27.01.2017 im Hamburger Hafenklang

Text und Fotos von Gérard Otremba

Die Gurr-Damen sind schon im Vorfeld ihres Debütalbums In My Head mächtig gehypt worden und auch besagter Longplayer erhielt in einschlägigen Gazetten viel positive Resonanz. Die Folge sind diverse ausverkaufte Konzerte auf ihrer zur Zeit stattfindenden Tour. Auch der Goldene Salon im Hamburger Hafenklang meldete „sold out“. Von den beiden als Support angekündigten Bands tritt nur Swutscher auf, die Berliner Formation Strand Child musste krankheitsbedingt absagen. Die aus dem Hamburger Umland stammende Band Swutscher entwickelt sich zu einer Art The Band im Kleinformat. Denn nur in diesem Sinne kann man die von Sänger und Songschreiber Sascha Utech angekündigte „Heimatmusik“ vor ihrem Song „Rhener Romantik“ verstehen. Das Quintett schunkelt und rock’n’rollt sich durch ein knapp über eine halbe Stunde währendes Set, dessen Songs sich als moderne Americana-Kompositionen entpuppen, geprägt von Bands wie The Felice Brothers oder The Low Anthem. Und mit dem manisch-depressiven „Bodo“ heben sich Swutscher den besten Song für den Abschluss ihres Konzertes auf.

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Andreya Casablanca und Laura Lee, die beiden Gitarristinnen, Sängerinnen und Songwriterinnen von Gurr, live durch eine Bassistin und einen Schlagzeuger verstärkt, tun aber auch alles, um dem medialen Hype gerecht zu werden. Sie erfinden mit „First Wave Gurrlcore“ zunächst eine eigene Bezeichnung für ihren aus Garage-Rock, Punk, Rock’n‘Roll, New Wave und Indie-Pop bestehenden Sound und legen sich bei ihren Konzerten mächtig ins Zeug. Das war bereits beim letztjährigen Reeperbahnfestival so, und das ist beim eine dreiviertel Stunde währenden Auftritt im Hafenklang nicht anders. Sie punkten mit ihrer unbekümmerten DIY-Attitüde und der hippen Ausgelassenheit auf der Bühne. Die Wahlberlinerinnen hüpfen, springen und schütteln ihr Haar, wobei sich besonders Andreya Casablanca als quirliger und nicht zu bändigender Wildfang in Erscheinung tritt. Bis auf einen Song spielen Gurr das komplette Debütalbum In My Head. Vom Konzert- (wie auch Album) Opener „Breathless“, bis zur letzten Zugabe, einem krachenden „Helter Skelter“-Cover, sind die beiden nicht zu stoppen. Ruhige Momente gibt es ihrem Repertoire kaum, selbst ein Midtempo-Song wie „Moby Dick“ gerät live fast unter die (Punkrock-)Räder. Aber hinter der unbehauenen Garagen-Punkrock-Power steckt auch eine große Liebe zur lässigen Melodien, wie sie am schönsten in „Walnuss“ zu hören ist. Das verwundert nicht, geben die Gurr-Damen doch die Beatles als eine entscheidende musikalische Referenz für ihren Karrierebeginn an. Die Punkversion von „Komm gib mir deine Hand“ („I Want To Hold Your Hand“) zu spielen, ist dann fast schon Ehrensache. Nach dem Gig ist Andreya Casablanca ganz perplex, dass so viele Menschen den Weg zu ihren Konzerten finden: „Wow, kommen die wirklich unseretwegen?“ Das tun sie. Und wenn Gurr so weitermachen, dann pilgern demnächst noch viele Fans mehr zu ihren Auftritten.

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