Markus Berges: Die Köchin von Bob Dylan – Roman

Ein origineller, berührender und charmanter Roman des Erdmöbel-Sängers

von Gérard Otremba

Bob Dylan stammt von ukrainischen Immigranten ab, die Anfang des 20. Jahrhunderts aus der Hafenstadt Odessa in die USA flüchteten. Seine regionale Herkunft teilt Dylan in Markus Berges‘ nach Ein langer Brief an September Nowak zweiten Roman mit seiner neuen Tour-köchin. Die in der Nähe von Köln aufgewachsene Jasmin Nickenig erhält während ihrer ersten Bewährungsprobe als Dylans Köchin just in der Ukraine den Anruf eines eventuellen Verwandten, der möglicherweise das Verschwinden Jasmins 1944 als vermisst gemeldeten Großvaters aufklärt. Von Dylan für einen Tag beurlaubt, macht sich Jasmin auf den Weg von Jalta nach Odessa, der familiären Vergangenheit auf der Spur.

Um den großen Meister und Literaturnobelpreisträger Bob Dylan zu charakterisieren, bedient sich Erdmöbel-Sänger- und Songschreiber Markus Berges in seinem neuen Roman Die Köchin von Bob Dylan dessen bekannten Sonderbarkeiten (sein Spleen der Seelenwanderung führt Dylan hier zum russischen Dichter Anton Tschechow; Dylans und Jasmins Besuch des Tschechow-Museums in Jalta gehört zu den amüsantesten Abschnitten des Buches), die Dylan als sympathischen, kauzigen, und manchmal seltsam anmutenden älteren Herren beschreiben. Es ist die schönste Nebenrolle der Welt, die Berges Dylan in seinem Roman zukommen lässt. Als eigentlicher Hauptprotagonist kristallisiert sich jedoch Florentinius Malsam, Jasmins verschollener Großvater, heraus. Dessen in mehreren Kapiteln erzählte Lebensgeschichte in der ukrainischen, respektive sowjetischen Kolonie der Schwarzmeerdeutschen ist zentraler Bestandteil des Romans.

Markus Berges trifft in diesen Abschnitten trotz seines nüchternen Sprachstils einen wehmütigen und sehnsüchtigen Ton und entwickelt eine poetische Kraft, die an Im Frühling sterben von Ralf Rothmann erinnert. Berges gelingen brillante Passagen zu den Themen Flucht, Vertreibung,  Verschleppung, Verbannung, Leid und Verlust, gerät Malsams Familie doch in die geschichtlichen Irrungen und Wirrungen der Zeit zwischen den zwei Weltkriegen. Markus Berges schildert Malsams Lebenslauf bis zum Zeitpunkt seines Verschwindens 1944, mehr erfährt auch seine Enkelin Jasmin nicht, die ihren Großvater nach einem Schlaganfall an der Wernicke-Aphasie leidend, wasserfallartig unzusammenhängende deutsche Wörter sprechend, vorfindet und ihre eigenen Schlüsse über die neuen Familienverhältnisse ziehen muss. Die Köchin von Bob Dylan von Markus Berges ist ein origineller, eindringlicher, bewegender, berührender und charmanter Roman.

Markus Berges: „Die Köchin von Bob Dylan“, Rowohlt Berlin, Hardcover, 288 Seiten, 978-3-87134-709-2, 19,95 €.

Kommentar schreiben