Lambchop: Flotus – Album Review

Befreit vom Korsett des Alternative Country

Das Kürzel Flotus steht für „First Lady Of The United States“. Bei Kurt Wagner wird daraus aber „For Love Often Turns Us Still“. Im Begleitschreiben zum neuen Album berichtet der inzwischen 57-jährige, dass er Musik machen wollte, die seiner Frau Mary Mancini gefällt, die sie vielleicht gerne auf dem Weg zur Arbeit hört. Weil er außerdem auch seinen Enkeln gefallen wollte, mischt er seinen Alternative Country mit allerlei elektronischen Elementen und jagt seine Stimme durch den Vocoder. Ganz neu ist dieser Ansatz nicht. Schon für das Nebenprojekt „Hecta“ hat er sich im letzten Jahr der elektronischen Musik zugewandt – herausgekommen war eine Platte, die deutlich besser ist als es die verhaltenen Kritiken und der zaghafte Publikumszuspruch vermuten lassen.

Im Vergleich dazu ist „Flotus“ typisch Lambchop. Zumindest beginnt die Platte so. Eine abgedämpfte E-Gitarre greift Chords, man hört die Finger über das Griffbrett gleiten, dann zählen die Sticks ein und Wagner betritt die Bühne. Es folgen knapp zwölf Minuten „In Care of 8675309“, ein ebenso ergreifender wie schlichter Song, dessen melancholischer Flow für erstes Wohlbehagen sorgt. Ab dem zweiten Track dann aber wird klar, was Kurt Wagner meint, wenn er sagt, dass das Hauptinstrument dieser Platte seine Stimme sein soll. Der Gesang wird immer wieder stark verfremdet, gedoppelt, verzerrt. Dazu gibt es synthetische Drums und Synthies aus der Konserve, gepaart mit streichelzahmen Pianoklängen und warmen Basslines. Mal passt das erstaunlich gut zusammen wie etwa im Titelsong oder in „Harbor Country“. Mal läuft das Experiment ins Leere, zum Beispiel im zu bieder geratenen „Old Masters“ oder im unkonzentrierten „Writer“.

Höhepunkt des Albums ist das 18-minütige „The Hustle“ ganz am Ende. Mit viel Zeit bereitet die Band über einen flimmernden Electrobeat ein großes Soundgebilde zu. Erst nach über fünf Minuten Spannungsaufbau ertönt Wagners Stimme und gibt dem Song die Richtung vor. Urbaner und moderner haben Lambchop nie geklungen. 

Wie Wagner im Waschzettel erklärt, haben diese Aufnahmen seiner Frau nicht sonderlich gefallen. Sie mag mehr seine natürliche Stimme. Kann man nachvollziehen. Für die Entwicklung dieser Band aber sind Wagners Experimente mit Stimme und Sound nicht zu unterschätzen. Lambchop haben sich aus dem Korsett des Alternative Country befreit und eine Flexibilität bewiesen, die viele ihnen nicht zugetraut hätten. Die Reise dieser Band ist noch lange nicht zu Ende.

„Flotus“ von Lambchop ist am 04.11.2016 bei City Slang / Universal erschienen.

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