Carrie Brownstein: Modern Girl – Mein Leben mit Sleater-Kinney

Grunge for life

Carrie Brownsteins „Modern Girl – Mein Leben mit Sleater-Kinney“ ist nicht einfach nur eine weitere Musiker-Biografie. Es ist ein Trip in die vorerst letzte relevante Episode der Popgeschichte, erzählt von einem ihrer charmantesten Vertreter. Sie waren eine Speerspitze der Riot-Grrl- und Grunge-Bewegung. Ihre sieben Alben haben unzählige Bands inspiriert. Der Musikkritiker Greil Marcus bezeichnete sie einst gar als „beste Rockband Amerikas“. Sleater-Kinney, benannt nach einer Autobahnausfahrt zwischen Seattle und Portland, haben in den zwölf Jahren ihrer Karriere mächtig Eindruck hinterlassen. Carrie Brownstein, Gitarristin und Sängerin der Band, wagt in „Modern Girl“ – exakt zehn Jahre nach dem Split der Band – einen Rückblick auf die turbulente Karriere dieser Band.

Es ist keine dieser üblichen Schulterklopf-Biografien, sondern ein schonungsloser Einblick in ein intensives und oftmals zerstörerisches Leben. Gleich auf den ersten Seiten wird klar, was für eine großartige Erzählerin Brownstein ist. Was nicht verwunderlich ist, ist sie doch auch die Erfinderin und Autorin der Emmy-nominierten und vielfach ausgezeichneten Serie „Portlandia“, in der sie ganz nebenbei auch die Hauptrolle spielt. „Modern Girl“ aber beleuchtet ausschließlich ihr Leben als Teil dieser Band, die sie als „ihre Familie“, „die längste Beziehung, die ich je gehabt hatte“ bezeichnet. In Teil 1 („Jugend“) erzählt Brownstein von ihrem Leben als Teenager. Wie sie als Fünftklässlerin „völlig high“ vom Besuch eines Madonna-Konzertes wiederkam. Wie sie Duran Durans Simon Le Bon im Kinderzimmer imitierte. Wie sie ihre Mutter an den Krebs verlor. Wie ihr Vater ihr seine Homosexualität beichtete. Und wie sie allmählich Kontakt zur lokalen Musik-Szene aufbaut.

In Teil 2 („Sleater-Kinney“) berichtet die Autorin erstaunlich detailliert über Aufstieg, Höhenflug und allmählichen Sinkflug dieser wahnwitzigen Band, deren Kopf und Herz sie war. Wie eng befreundet die Musikerinnen waren. Wie sie ihr Lampenfieber zu überwinden lernte. Wie sie zu Attraktionen des Showgeschäfts wurden. Wie sie sich den vereinnahmenden Tendenzen der Konsumgesellschaft verweigerten und gegen die Kommerzialisierung ihrer Musik kämpften. Wie sich auf Tourneen die Einsamkeit in ihr ausbreitete. Teil 3 schließlich („Danach“) erzählt über den Trennungsschmerz am Ende der Bandgeschichte, die Hoffnung auf ein anderes Leben und den Stolz, mit Sleater-Kinney etwas geschaffen zu haben, von dem man auch heute noch gerne erzählt. Und so ist Brownsteins Erzählung eine kurzweilige, unmaskierte und erfrischend reflektierte Rückschau auf ein Lebenskapitel, das zwar vorbei ist, aber dennoch nachwirkt. Am Ende ist es fast so, als hätte man eine neue Freundin gewonnen. Zumindest herzen möchte man sie einmal und ihr dabei zuflüstern: „Danke für alles. Das hast du gut gemacht. Verdammt gut sogar.“

Carrie Brownstein: „Modern Girl – Mein Leben mit Sleater-Kinney“, Benevento, übersetzt von Stefanie Jacobs, Hardcover, 326 Seiten, 978-3-7109-0005-1, 24 €.  

 

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