Song des Tages: Europa Mega Monster Rave von Trümmer

 

Heute beginnt im Lux in Hannover die Herbst-Tour der Hamburger Indie-Rock-Band Trümmer. Mit dem „Europa Mega Monster Rave“ haben Trümmer auch eine neue Single aus ihrem aktuellen Album Interzone am Start. Die ist dann auch der heutige Song des Tages bei Sounds & Books. Und weil die Band Trümmer eine praktisch identische Auffassung zur politischen Lage Europas hat wie Sounds & books, gibt es jetzt zunächst noch ein wichtiges Statement der Band um Frontmann Paul Pötsch zu lesen, und dann kommt der Song des Tages (Beitragsbild:  Stefan Simrock)

ANGST ESSEN SEELE AUF

Statement der Band Trümmer

Wir sind aufgewachsen mit offenen Grenzen in Europa. Wir sind mal schnell übers Wochenende mit Freunden nach London geflogen, haben Konzerte gespielt in Paris und Brüssel, haben uns in Kopenhagen verliebt, sind nach Groningen gefahren zum Kiffen. In der Schule haben wir über den EU-Beitritt der Türkei diskutiert und uns über Gurkenverordnungen lustig gemacht. Wir sind aufgewachsen in dem Bewusstsein, dass Europa uns Frieden garantiert, auch wenn wir von dem bürokratischen Apparat in Brüssel nur die Hälfte verstanden haben. Die Europäische Union als größtes Friedensprojekt der Nachkriegsgeschichte war für uns common sense. Wir konnten uns nicht vorstellen, dass irgendetwas dieses Friedensprojekt ernsthaft in Frage stellen könnte.

Heute sieht dieses Europa anders aus: Eine Jugendarbeitslosigkeit von über 50% in Spanien und Griechenland, von über 30% in Portugal und Italien, der Front National in Frankreich, Wilders in den Niederlanden, Strache in Österreich, die AFD und brennende Flüchtlingsheime hier in der Bundesrepublik. Heute dominiert in Europa wieder die Angst, eine ganz und gar fundamentale Angst: Eine konkrete ökonomische Abstiegsangst vermischt sich mit einer diffusen Angst vor dem Fremden. Aus dieser Angst wächst der Hass. Die Rechtspopulisten, wie wir die Nazis heute nennen, damit wir sie in Talkshows einladen können, sie leben von dieser Angst. Sie bieten eine Schein-Antwort auf die gesellschaftlichen Probleme und finden mit der Präzision, die ihnen seit Jahrhunderten zu eigen ist, den Sündenbock: Die Wenigen, die Schwachen, die Schutzsuchenden, die Fremden, diejenigen, die fast gar nichts mehr haben.

Der um sich greifende Rechtspopulismus und die jungen Menschen, die sich aus Europa heraus radikalisieren und als Dschihadisten in den Islamischen Staat gehen sind im Grunde das Symptom der gleichen Krankheit: Dem Fehlen einer die Menschen einigenden positiven Vorstellung davon, wie Europa als aufgeklärte, gerechte und wahrhaft demokratische, grenzenlose Gesellschaft aussehen könnte. Sie sind das Symptom der Utopielosigkeit Europas. Wir bieten keine Chancen für diejenigen, die sich abgehängt fühlen. Um der Radikalisierung entgegen zu wirken, müssen wir das ändern.

Es ist naiv zu glauben, das Auseinanderdriften der Europäischen Union hätte nichts mit der Sparpolitik zu tun, die Merkel und Schäuble in Europa durchgedrückt haben. Diese Politik nimmt einer ganzen Generation junger Menschen die Perspektive auf ein selbstständiges und verwirklichtes Leben, auf eine Zukunft. Aber auch diese Politik ist vor allem eines: Die Folge eines neoliberalen Dogmas, das seit den 80er Jahren die Menschen in den westlichen Gesellschaften gegeneinander ausspielt und in unseren Köpfen den Grundsatz, dass es um nichts als freie Märkte und Geld gehen würde, fest verankert hat. Profit und Wachstum stehen über allem. Solidarität existiert in einer auf maximalen Profit und totale Individualisierung ausgerichteten Gesellschaft nicht, denn sie ist aus neoliberaler Perspektive nicht profitabel.

Jahrelang gab es Diskussionen darum, dass es an einer europäischen Identität, an einer europäischen Öffentlichkeit mangele. Dass das so nur bedingt stimmt, dafür man muss sich einfach nur in Berlin umschauen, wo Spanier, Italiener, Briten und Deutsche jeden Tag zusammenarbeiten und feiern, sich lieben, streiten und diskutieren. Und wenn man sich umhört, bekennen sich hier alle zu Europa. Doch dieser Generation fehlt es massiv an politischem und gesellschaftlichen Einfluss. Die Zukunftsperspektive unserer Generation ist düster: Durch den demographischen Wandel stehen wir einer phlegmatischen Mehrheit von angsterfüllten Älteren gegenüber. Wir dürfen nicht zulassen, dass eine Riege Politiker, dass die Le Pens, Petrys, die Johnsons und Farages dieser Welt aus kalt kalkuliertem Machtinteresse unser aller Zukunft verspielen und sich danach aus der Verantwortung stehlen. Sie sind es, die uns ruinieren.

Wir müssen dem neoliberalen Wahn endlich konkrete politische Vorstellungen entgegensetzen. Es fehlt an Solidarität, es fehlt an Gleichheit und es fehlt an Gerechtigkeit. An diesen drei Begriffen muss sich ein kommendes demokratisches Europa orientieren, um mehr zu sein als Spielplatz freier Märkte. Sondern um stattdessen eine europäische Gesellschaft zu schaffen, in der Menschen sich wohl fühlen, in der sie eine Zukunft haben und weiterhin gemeinsam in Frieden leben können. Es wäre fatal zu glauben, dass dieser europäische Rechtsruck einfach wieder verschwinden würde. Durch die Digitalisierung wird es nicht mehr Arbeit geben, sondern weniger. Immer mehr Menschen werden um ihre Jobs kämpfen müssen, werden prekär beschäftigt werden. Die Probleme werden größer, nicht kleiner. Wenn wir nicht grundlegend in Frage stellen, wer von diesen Entwicklungen profitieren soll, dann wird es immer mehr Menschen geben, die ihre eigene Situation als chancen- und ausweglos betrachten. Und das ist gesellschaftliches Dynamit und Wasser auf die Mühlen derjenigen, die den Hass sähen.

Wir müssen uns mit den Ideolgien der Rechtspopulisten auseinander setzen und den Menschen zeigen, dass deren Ideen nicht über hohle Abgrenzung hinaus gehen. Das ihre politischen Ideen nicht in eine bessere Welt, sondern geradewegs in den Abgrund führen. Dass sie nur eine Rückführung der neoliberalen Idee in den Nationalstaat wollen und das die Kosten dafür immens sein werden. Den großen Problemen unserer Zeit, dem Klimawandel, den Kriegen und Flüchtlingskrisen können wir nicht mehr auf nationalstaatlicher Ebene begegnen. Es ist an der Zeit für eine junge europäische Generation, Verantwortung zu übernehmen. Denn eines ist sicher: Wenn das europäische Projekt scheitert, werden die Folgen fürchterlich sein. Wir müssen uns darauf besinnen, worum es gerade geht und was auf dem Spiel steht: Die Nazis dürfen nicht an die Macht kommen und so nah dran wie jetzt gerade waren sie seit 1933 nicht mehr.

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