Hans Platzgumer: Am Rand – Roman

Der Tod, das Leid und der ganze Rest

von Gérard Otremba

Der Ich-Erzähler von Hans Platzgumers Roman Am Rand, Gerold Ebner, ist mit 42 Jahren auf dem Gipfel angekommen. Auf dem Gipfel des Bocksbergs, wo er sich einen Tag Zeit nimmt, seinen Lebensbericht zu schreiben. Immer wieder hat es Ebner als Autor versucht, immer ist er an seinen Ansprüchen gescheitert, doch nun, da er alle verloren hat, die ihm wichtig waren, hat er nichts mehr zu verlieren und offenbart uns sein Leben, das mit schmerzlichen Todeskonfrontationen gepflastert war, als Beichte. Als Kind einer ehemaligen Prostituierten wuchs Gerold Ebner vaterlos in einer Südtirolersiedlung im Vinschgau in Westösterreich auf, in der jedoch nicht nur ehemalige Südtiroler wohnten, sondern auch Türken und Jugoslawen eine neue Heimat fanden. Um sich den Drangsalierungen diverser Gangs zu Wehr setzen zu können, beginnen Gerold und sein Kumpel Guido mit einem exzessiven Karate-Training.

Eines Tages steht sein Opa vor der Tür, der Familien-„Monarch“, den er vorher noch nie kennengelernt hat. Ein Tyrann, unter dem Gerolds Mutter leiden muss und einige Jahre später durch Gerolds starken Handgriff, in der Zwischenzeit ist sein Großvater aufgrund einer Lungenerkrankung mehr oder weniger ans Bett gefesselt, zu Tode kommt. Und noch einmal muss Gerold Ebner Hand anlegen und über Leben und Tod bestimmen, als sein Freund Guido ihn nach einem schweren Arbeitsunfall um Sterbehilfe bittet. Zu dieser Zeit ist Gerold längst mit der Texterin Elena zusammen. Doch auch in dieser Beziehung schlägt das Schicksal erbarmungslos zu. Der österreichische Schriftsteller, Musiker, Komponist und Produzent Hans Platzgumer skizziert in seinem aktuellen Roman Am Rand das literarische Psychogramm eines vom Leben gebeutelten und trotz aller negativen Erlebnisse klar denkenden und reflektierenden Menschen. Platzgumers Schreibstil zeichnet ein präziser Realismus aus, seine aufgeführten Todesszenen sind detailliert und für den Leser mitunter nervenaufreibend.

Gerold Ebners Handlungen verdeutlichen die Schwere moralischer Vorgaben und Gesetze, denn sicherlich hat er sich des Mordes und mindestens der Beihilfe schuldig gemacht, doch aus nachvollziehbaren Gründen rechtfertigt er sein Tun zum Wohle des Menschen. Können wir ihn deshalb leichtfertig moralisch verurteilen? Viele Grauschattierungen liegen im Schwarz und Weiß. Daß es für Gerold Ebner am Schluß seiner Aufzeichnung nur ein konsequentes Ende geben kann, wird sehr früh während der Erzählung deutlich. Trotz des allgegenwärtigen Todes (schon als Kind kam Ebner durch den Tod eines Nachbarn mit der Thematik in Berührung, später verstarb noch sein Jugendfreund Peter durch einen grausamen Arbeitsunfall), ist Am Rand kein ganz und gar deprimierender Roman, diverse Jugenderinnerungen Gerold Ebners sind von anarchischer Komik durchsetzt. Und das alles wird von Hans Platzgumer wahrlich meisterhaft und virtuos erzählt. Ein mit knapp über 200 Seiten durchaus kurzer, aber imposanter Roman.

Hans Platzgumer: „Am Rand“, Zsolnay, Hardcover, 208 Seiten, 978-3-552-05769-2, 19,90 €.

Kommentare

  • <cite class="fn">Call Me Appetite</cite>

    haha der Platzgumer. Damals mit HP Zinker eine tolle Nummer. Später dann Mitverantwortlich für K.O.O.K von den Tocs sowie ja auch noch bei den Goldenen Zitronen am werken. Guter Typ. Buch ist vorgemerkt.

    • <cite class="fn">Call Me Appetite</cite>

      oder war es doch „es ist egal, aber“? mmmh

    • <cite class="fn">Gérard Otremba</cite>

      Es war die „Es ist egal“-Platte der Tocos. Wunderbarer Roman, der gerne den Deutschen Buchpreis gewinnen darf.

    • <cite class="fn">Eva Jancak</cite>

      Also da wären meine moralischen Vorstellungen, eindeutlig kein Mensch muß morden, nicht den ans Bett gefesselten Großvater und auch das mit der Sterbehilfe würde ich nicht so unbedingt sehen.
      Ich hab das Buch heute morgen ausgelesen, meine Besprechung erfolgt morgen, hab den Autor aber schon in der „Alten Schmiede“ in Wien daraus lesen gehört https://literaturgefluester.wordpress.com/?s=Hans+platzgumer und da dachte ich auch, daß diese Metaphern viel zu konstruiert und künstlich sind.
      Ohne Zweifel ein brillant geschriebenes Buch, aber ist das Bild von dem mittelmäßigen Schriftsteller der von seinen Büchern aus in die Schlinge springt, nicht ein bißchen zu weit hergeholt und dann das Kind, das in dem Automatenhotel gefunden wurde und dann mit der neuen Mutter in den Tod stürzt.
      Ich meine, da hat einer auf dem Reißbrett einen brillanten Roman entworfen, mir erschien er aber zu künstlich und zu konstruiert und einen Grund für die beiden Morde, außer da man darüber einen Roman schreibt, mit dem man dann auf die Longlist kommt, sehe ich eigentlich nicht.

  • <cite class="fn">gerhard</cite>

    Schau an, der Platzgumer reüssiert neuerdings als Autor. Als Musiker war er ja oft ein Interessanter.
    Viele Grüße,
    Gerhard

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