Gérard bloggt über die Leipziger Buchmesse 2016

Gruppenbild mit Benedict Wells

Text von Gérard Otremba, Fotos von Jacqueline Böttger

Zunächst einmal: Keine besonderen Vorkommnisse auf der Zugfahrt nach Leipzig. Kein Schriftsteller, der mich heimlich fotografierte, wie Tilman Rammstedt im vorigen Jahr, und auch sonst eine entspannte Reise mit Lesen und einigen wenigen Minuten Schlaf. Okay, mehr Schlaf wäre nicht schlecht gewesen, der Wecker klingelt bei Sounds & Books höchst selten um 4.45 Uhr. In Leipzig fuhr der ICE zunächst einmal zur Verblüffung aller an der Messe vorbei zum Hauptbahnhof und hielt erst auf der Weiterfahrt dort, wo eigentlich alle aussteigen wollten. Sehr merkwürdig. Kaum die Presseakkreditierung aktiviert, fielen mir die liebenswerten Damen Mareike von Herzpotential und Steffi von Nur Lesen ist schöner um den Hals, viel angenehmer hätte mein Start der diesjährigen Leipziger Buchmesse nicht ausfallen können.

Nachdem auch noch Jochen von lustauflesen.de zur Begrüßung kurz vorbeischaute, fühlte ich mich wie zu Hause, obwohl es erst mein zweiter Besuch auf der Leipziger Buchmesse war. Zu Hause im Kreis der Buchbranche, die natürlich ein Dorf ist, zumal in der im Vergleich zu Frankfurt pittoresken und possierlichen Leipziger Buchmesse. Viel Zeit für ein müßiggängerisches Flanieren blieb nicht, die Arbeitstermine in freundlicher Atmosphäre mit den Verlagskolleginnen- und  Kollegen waren stündlich getaktet und selbstverständlich der wichtigste Grund meiner Leipzig-Fahrt. Und natürlich die Begegnungen mit den Heerscharen von Buchbloggern, diesem lustig-verrückten Völkchen, mit dem man so herrlich sowohl über Literatur, als auch  übereinander diskutieren kann, wie der Abend beim von Leander Wattig organisierten Pub’n‘Pub mit Sonja von Lust zu Lesen, Holger von wortmax und nochmal Steffi bewies.

So eine Buchmesse ist natürlich etwas für Adrenalinjunkies. Kenne ich durchaus von meinem Laufsport, die Buchmessetage pushen jedoch dermaßen, dass auch der erträgliche Genuss von Alkohol (mehr als vier kleine Flaschen Mädchenbier sind sowieso nicht drin) zur Euphoriedämmung nicht hilft, ich ewig von diesem Trip nicht runterkomme, ich schlicht nicht einschlafen kann und nach knapp über drei Stunden Schlaf wieder wach bin. Aber in diesen Momenten greife ich zum mitgebrachten Buch und komme diesmal ich den Genuss der Romanlektüre Der Mann, der das Glück bringt von Catalin Dorian Florescu (demnächst mehr darüber).

Auf dem Weg zu Straßenbahn las ich die den Bahnhof suchende Steffi auf (die Leipziger Buchwelt ist ein Dorf), wo uns (also in der vollgestopften Straßenbahn) der erste Tageshöhepunkt erwartete. Ein, nun ja, merkwürdiger Geselle, kämpfte sich fast zu seiner „Freundin Maria“ durch (die direkt vor mir stand) und redete plötzlich auf einen neben ihn stehenden Mann ein: „Sie sind bestimmt jemand ganz wichtiges auf der Buchmesse, Lyriker, oder so“, waren die letzten der vielen Worte jenes seltsamen Menschen, bevor der Angesprochen erwiderte: „Wissen Sie, wer ich bin? Ich gehöre einer christlichen Gemeinschaft an. Wir haben einen Stand auf der Buchmesse und ich verteile den ganzen Tag Liebe, das ist das, was Ihnen fehlt.“

Freunde, ich sage euch, das war ganz großes Kino und überaus amüsant. Das ging noch so einige Minuten weiter, der sonderbare Mensch war auch weiterhin nicht zu überhören, es war peinlich und lustig zugleich, Maria indes schwieg eisern, vielleicht war ihr die Vorstellung ihres „Freundes“ noch peinlicher als alles anderen. Allein für die diese 20-minütige Straßenbahn-Fahrt hat sich der Leipzig-Besuch schon gelohnt. Der weitere Verlauf des Tages gehörte den Treffen mit vielen, vielen Bloggern, u. a. mit Lesevergnügen, Kaffeehaussitzer, Literaturen, Buchrevier, 54Books, glasperlenspiel13, Pinkfisch, Lesen Leben Lachen, Muromez, masuko13, Klappentexterin, Literatwo, AstroLibrium, sowie einigen mehr unter der bedauerlichen Abwesenheit von Papiergeflüster, Bücherwurmloch und Brasch & Buch.

blogger diogenes wells

Als absolutes Messehighlight entpuppte sich die illustre Runde beim Diogenes Verlag, bei der  es sich Benedict Wells als Gaststar nicht nehmen ließ, über eine Stunde lang bei einem höchst sympathischen Frage-Antwort-Gespräch mitzumachen, über seinen neuen Roman Vom Ende der Einsamkeit und sein Leben zu erzählen und dabei noch eine gute Figur beim Parlieren in spanischer Sprache und in Switzerdütsch hinterließ. Hier stimmte einfach die Chemie unter den im Raum befindlichen Personen, ein ganz feines Erlebnis. Ansonsten: Autorenpflege im Gespräch mit Sabine Wirsching (ausführlich) und Isabel Bogdan (Small-Talk) und Händeschütteln mit Kirsten Fuchs bei Rowohlt. Und schneller als ich mich umsehen konnte, saß ich wieder im Zug nach Hamburg. Auch auf der Rückfahrt keine heimlichen Fotos von mir, jedenfalls keine, die über drei Ecken bei mir aufgetaucht sind.

Blogger-Diogenes

Kommentare

  • <cite class="fn">Tanja</cite>

    Moin Gérard,
    schön und witzig sind deine Eindrücke von der Leipziger Buchmesse inc. Bahn-Anekdote. Hab mich köstlich amüsiert.

    Beim Frage-Antwort-Gespräch mit Benedict Wells wäre ich gerne dabei gewesen. Das scheint eine lustige und gesellige Runde gewesen zu sein. Schön zu sehen wie viele Menschen, die man ansonsten nur Online kennt, zusammentreffen. Wie sie sich in die Arme fallen, über Bücher reden und philosophieren. I schätze, Frankfurt ist nur was für trainierte Marathonläufer wie dich , aber Leipzig… . Vielleicht im nächsten Jahr! Dann kann man evt. gemeinsam mit der Bahn da hin juckeln.

    • <cite class="fn">Gérard Otremba</cite>

      Moin Tanja,
      vielen Dank. Für die Frankfurter Buchmesse benötigst du nicht zwnagsläufig Marathon-Erfahrung, aber es ist alles eine Spur opulenter. Für die nächste Leipzog-Messe muss ich mir etwas einfallen lassen, denn nochmal stehe ich nicht so früh auf. Lieber einen Tag vorher anreisen. Wir können ja mal sehen, ob eine gemeinsame Reise möglich ist. Schöne Grüße, Gérard

      • <cite class="fn">Tanja</cite>

        #fbm…. und lange Wege sind zu gehen. Im Gegensatz zu dir und meinem Mann bin ich extrem lauffaul. Ihr habt eine gemeinsame Leidenschaft, deswegen bin ich auf das Wort „Marathon“ gekommen.

        Kann ich gut verstehen! Als Reisender beneide ich die Landsleute in Frankfurt oder Leipzig. Sie brauchen quasi nur aus die Tür hüpfen u.schon sind sie da. Was haben wir in der Nähe? Nur die KiBuM und das Harbour Front Literaturfestival.

        Gute Idee, dann kann man wenigstens ausschlafen, frühstücken und somit gestärkt den ganzen Messetrubel genießen. Mal schauen!

        PS: Übrigens habe ich letztens euren Musiktipp „Slow-Motion von Bombay“ in Endlosschleife gehört.

        Hab ein schönese Wochenende.

        Liebe Grüße,
        Tanja

        • <cite class="fn">Gérard Otremba</cite>

          Freut mich, dass ein Song des Tages so gut angekommen ist. Ja, so ein Buchmesse vor Ort hat schon was. Aber im Norden ist es doch auch sehr schön. Dir ebenfalls ein schönes Wochenende. Liebe Grüße, Gérard

  • <cite class="fn">zeilentiger</cite>

    Ein unterhaltsamer Bericht!

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