Françoise Giroud: Ich bin eine freie Frau

Brillanter autobiographischer Text der französischen Journalistin aus dem Jahre 1960

von Gérard Otremba

„Ich bin eine freie Frau. Eine glückliche Frau war ich auch, vermag es also zu sein – was gibt es Selteneres auf der Welt?“ Mit diesen starken Worten beginnt der Text Ich bin eine freie Frau von Françoise Giroud, ein autobiographischer Text aus dem Jahre 1960, den die bekannte französische Journalistin in den Wochen ihrer Erholungsphase nach einem Selbstmordversuch verfasste. Damals von ihr selbst und einer guten Freundin als nicht veröffentlichungsfähig eingestuft, später lange Zeit als verschollen geglaubt, zehn Jahre nach ihrem Tod 2003 wieder aufgetaucht, liest sich diese knapp über 200 Seiten lange, schonungslose Lebensanalyse wie ein emanzipatorisches Manifest.

Françoise Giroud begann ihre journalistische Karriere nach dem Krieg bei der Frauenzeitschrift Elle, bevor sie 1953 mit Jean-Jacques Servan-Schreiber das Nachrichtenmagazin L‘Express gründete. Mit Servan-Schreiber führte Giroud eine innige private und berufliche Beziehung, die Servan-Schreiber 1960 hinterrücks beendete. Für Françoise Giroud stürzte die Welt ein, im Selbstmord sah sie die einzige Lösung. Obwohl bereits klinisch tot, überlebte sie den Suizid, arbeitete danach, trotz der skandalösen Umstände, die Servan-Schreiber bei ihrer Entlassung inszenierte, auch wieder für den L’Express, in den 70ern dann gar zwei Jahre als Staatssekretärin im Kulturministerium. Sie war eines der Aushängeschilder der linksintellektuellen französischen Szene der Nachkriegszeit, war Journalistin, Drehbuchautorin, Schriftstellerin, Feministin und Politikerin.

Ihre nun als Buch vorliegende Selbstreflexion schrieb sie im Alter von 44 Jahren. Es ist eine unbarmherzige, teilweise erschütternde Halbzeitbilanz voller brillanter Sätze und Erkenntnisse. Eine zeitweise psychoanalytische Untersuchung ihrer Verhaltensmuster wechselt mit dem nüchternen, klaren Blick auf ihre Karriere, die als Scriptgirl in der Kinobranche der 30er Jahre begann, und den Kulturbetrieb des Existentialismus. Ich bin eine freie Frau zeigt nicht nur die Intelligenz von Françoise Giroud, sondern auch ihre Leidenschaft. Girouds Ausführungen über die erlittenen Schmerzen, zu den Erniedrigungen, zu den Schuldgefühlen und dem gescheiterten Selbstmord sind brutal und gnadenlos, lesen sich wie ein Roman und sind doch „keine Belletristik…, sondern schlicht und ergreifend eine Reportage aus dem Leben einer freien Frau.“ Einer freien, willensstarken und kompromisslosen Frau, der das Glück nicht immer hold war.

Und trotz der polemischen Warnung des geschätzten Kritikerkollegen Stefan Mesch benutze ich nun den Imperativ und rufe Ihnen zu: Lesen Sie dieses Buch! Und ich lüge auch nicht mit der Behauptung: Dieses Buch wird Ihr Leben bereichern, denn eindrucksvollere Literatur werden Sie selten finden. Das gilt übrigens für Frauen und für Männer.

Françoise Giroud: „Ich bin eine freie Frau“, Zsolnay Verlag, übersetzt von Patricia Klobusiczky, Hardcover, 978-3-552-05766-1, 19,90 €.

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