Various Artists: Falscher Ort, falsche Zeit – Power Pop & Mod Sounds from Germany, Austria and Switzerland 1980-1990 – Album Review

Eine höchst vergnügliche und entdeckungswürdige Reise zu den verlorenen Hits der 80er

von Gérard Otremba

Schade. Wirklich schade, dass die Bands dieser Compilation scheinbar tatsächlich zur falschen Zeit am falschen Ort wirkten. Andererseits sind auf Falscher Ort, falsche Zeit unfassbar viele ohrwurmträchtige, zeitlose, aber leider eben verhinderte Hits, dass es eigentlich egal sein hätte müssen, wann diese Songs das Licht der Welt erblickten. Im vorliegenden Fall waren es die 80er Jahre und so passten diese hier versammelten Power-Pop- und Mod-Songs aufgrund ihrer mangelnden Synthie-Affinität dann doch nicht ins glattgebügelte Musik-System jener Jahre. Leider konnten die von Carsten Friedrichs für Falscher Ort, falsche Zeit zusammengestellten Bands nicht von der Neuen Deutschen Welle (NDW) profitieren, der Ausverkauf dieses Genres ging viel zu schnell und brachte Unsägliches wie Frl. Menke und Ixi in die Charts.

Hätten die Plattenbosse mal besser im Untergrund zugehört, wäre ihnen eine Formation wie Die Profis wohl kaum entgangen, die 1982, Mitten im NDW-Hype, für den Titel dieser Sammlung Pate standen („Falscher Ort Falsche Zeit“) und ihr (zeitliches) Unglück wohl schon ahnten. Immerhin ist aus Bernd Begemann noch was geworden, der hier mit einer frühen Aufnahme seiner Band Die Antwort vertreten ist („Die Nacht, die niemand haben wollte“), ganz im Spaß-Punk der Ärzte verortet. Aus der Raumpatrouille Rimini („Wieder Sommer“) gingen später dann die bekannteren Aeronauton hervor. Insgesamt 19 Songs hat Friedrichs für den Sampler ausgesucht, die zwischen Soul, Pop, Mod, Beat, Punk und Rock’n’Roll changieren und die Musik der 80er Jahre deutlich aufgewertet hätten, wären sie damals nur etwas berühmter geworden.

Zum großen Ruhm wird es vermutlich auch heute nicht reichen, doch die Ehre gebührt ihnen mit Falscher Ort, falsche Zeit. Ja, es gab sie, deutsche Bands, die fernab vom sogenannten Deutsch-Rock der 80er und vor der sogenannten Hamburger Schule mit blitzgescheiten Texten und viel Spaß an der Sache dem Pop und Rock facettenreich frönten. Da ist die ausgelassene Punk-Rock-Party-Stimmung von Stunde X und ihrem Stück „Hey, Du!“, oder die urige Soul-Punk-Mischung von Die Tanzenden Herzen in „Tanzfläche“, oder der Polit-Pop von Jetzt! („Vielleicht Menschen“), oder der atemberaubende Soul-Punk von Family 5 (Nebenprojekt von Fehlfarben-Sänger Peter Hein).

Stimmungsvoller Ramones-Punk hat es mit der Hamburger Band Hermann’s Orgie („Hamburg“) auf den Sampler geschafft, während die Hamburger Kolleginnen der Mobylettes („Da Doo Ron Ron“) den Sixties-Girl-Pop der Chrystals ins Deutsche übertrugen und von Sterne-Sänger Frank Spilker aufgenommen worden sind. Und wenn man dann noch an die Hammer-Songs von The Venue („Wien ist anders“), Der Böse Bub Eugen („Ich will Alles“), S-Chords („Voran! Voran“) und, und, und denkt, wird einem ganz schummrig beim Hören von Falscher Ort, falsche Zeit. Hits oder nicht, egal. Partytauglich ist die Auswahl allemal, ein ganz großes, entdeckungswürdiges Vergnügen.

„Various Artists: Falscher Ort, falsche Zeit – Power Pop & Mod Sounds from Germany, Austria and Switzerland 1980-1990“ ist am 22.01.2016 bei tapete records erschienen.

 

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