Leonardo Padura: Die Palme und der Stern – Roman

Und noch ein phänomenaler Roman des kubanischen Autors Leonardo Padura

von Gérard Otremba

Romane von Leonardo Padura zu lesen, ist immer wieder ein literarischer Hochgenuss. Man lässt sich viel Zeit damit, um so lange wie möglich den erhabenen Stil Paduras auszukosten, liest zwischenzeitlich andere Bücher parallel, lässt seinen neuen Roman Die Palme und der Stern schon mal als Gute-Nacht-Lektüre liegen, kehrt erfreut für mehrere Seiten am Stück wieder zurück und schiebt das unausweichliche Ende peu à peu hinaus. Das letztes Jahr erschienene Opus Magnum Ketzer war das wohl brillanteste Werk Paduras so far, das seit Mai vorliegende Die Palme und der Stern steht Ketzer indes kaum nach. Die spanische Originalausgabe erblickte bereits im Jahre 2002 das Licht der Welt, nun endlich ist es also auch in deutscher Übersetzung zu haben. Steht in Ketzer noch die Kunstform der Malerei im Mittelpunkt, verschreibt sich der kubanische Schriftsteller in Die Palme und der Stern ganz und gar der Poesie. Selbstverständlich spielen in beiden Romanen zeitgeschichtliche Aspekte eine Hauptrolle, aber eben jene Verbindung aus Kultur, Geschichte und Politik macht den Reiz Paduras aus.

Nach fast zwanzig Jahren des Exils kehrt der ehemalige Literaturdozent und Dichter Fernando Terry nach Kuba zurück. Während der vierwöchigen Aufenthaltsgenehmigung geht er einer möglichen neuen Spur über den Verbleib eines verschollenen, autobiographischen Manuskripts des kubanischen Lyrikers José María Heredia nach. Wie in Ketzer springt Padura in Die Palme und der Stern zwischen den Jahrhunderten, lässt Heredia in der Ich-Form aus der ersten Hälfte des 19 Jahrhunderts berichten, vermischt Fiktion und Recherche zu einem spannenden und atmosphärisch dichten Plot. Heredia ist ein junger, romantischer Schwärmer, der sich einer Freimaurerloge anschließt, um für Kubas Unabhängigkeit von Spanien zu kämpfen. Ein Verrat und die darauffolgenden Verbannung zwingen ihn zur Ausreise in die Vereinigten Staaten von Amerika und anschließend nach Mexiko. Nur eines von vielen heftigen Schicksalsschlägen im Leben des kubanischen Nationaldichters. Einige Jahre später erfährt Heredia, wie nah ihm der Verräter wirklich stand.

Die Parallelen zu Fernando Terry fast 200 Jahre später sind offensichtlich. Dieser wittert den Denunzianten im Freundeskreis seiner ehemaligen Dichtergruppe der „Spötter“ und erhofft sich Aufklärung nach zwei Jahrzehnten Ungewissheit. Über die Nachfahren der Freimaurer ist der Besitz des mythischen Heredia-Manuskripts zum Greifen nah. Oder ist das angeblich brisante Material doch schon längst vernichtet? Freundschaft, Verrat, Liebe, Familie, Heimat, Freiheit, Poesie. Leonardo Padura greift in Die Palme und der Stern wieder große Themen auf und wie es einem großen Schriftsteller wie ihm gebührt, führt er ebene jene in begnadeter Form aus. Leonardo Padura als Literaturnobelpreisträger, das wäre doch mal eine überraschende wie verdiente Auszeichnung.

Leonardo Padura: „Die Palme und der Stern“, Unionsverlag, aus dem Spanischen übersetzt von Hans-Joachim Hartstein, Hardcover, 978-3-293-00485-6, 24,95 €.

 

Kommentar schreiben