Vea Kaiser: Makarionissi oder Die Insel der Seligen – Roman

Nach der Feuertaufe Blasmusik-Pop, nun die Reifeprüfung mit Makarionissi

von Gérard Otremba

Es ist der ganz große Stoff. Für ihren zweiten Roman Makarionissi oder Die Insel der Seligen wagt sich Vea Kaiser an Homers Odyssee und benutzt dessen Saga, um ein eigenes Universum voller Heldinnen und Helden zu erschaffen. In Makarionissi erzählt die österreichische Schriftstellerin die tragikomische Geschichte von Eleni Stefanidis und Lefti Zifkos und deren griechischer Familie von den fünfziger Jahren bis in die Gegenwart. Ein großes, buntes Epos, das zum Lachen animiert und zu Tränen rührt. Auf Geheiß der Großmutter („Yiayia“) Maria Kouzis wird Eleni Stefanidis nur gezeugt und geboren, um mit ihrem Cousin Lefti Zifkos verheiratet zu werden und das Familienerbe zu gewährleisten.

Doch schon in jungen Jahren, von ihrem Cousin Lefti durchaus ermuntert, freundet sich Eleni mit der Rolle einer Heldin an. Und stehen griechische Heldinnen in der Küche und umsorgen darüber hinaus die Kinder? Natürlich nicht. So findet Eleni ihren eigenen Weg, der mit dem Rollenbild der Frau in dem kleinen heimatlichen Dorf an der griechisch-albanischen Grenze nicht wirklich konform geht. Sie denkt gar nicht daran, ihren Cousin zu heiraten, tut es dann aber aus der Not heraus doch, jedoch nur, um das längst von der rechten Militärjunta regierte Land verlassen zu können, nachdem sie als Linke im Gefängnis landete. Eleni und Lefti ziehen als Gastarbeiter in das niedersächsische Städtchen Hildesheim, wo Lefti einen Job in einer Gummifabrik annimmt und Eleni sich im Exil-Widerstand gegen die griechische Regierung engagiert. Eine Trennung ist unvermeidlich und während Eleni den bayrischen Sänger Otto kennen- und lieben lernt, ungeplant Mutter einer Tochter wird, die sie in der Heimat als Leftis Erbe ausgibt, Otto verlässt und in Chicago ihr Glück versucht, verschlägt es Lefti mit seiner aus Österreich stammenden Deutschlehrerin nach St. Pölten, wo die beiden ein griechisches Restaurant eröffnen.

Doch die Odyssee ist für beide noch nicht beendet und der Kreislauf des Lebens geht mit neuen Generationen weiter. Makarionissi oder Die Insel der Seligen ist ein literarisches Husarenstück. Ein großer Roman über Vertrauen, Verrat, Liebe, Familie und die Irrungen und Wirrungen des Lebens. Es ist Drama, Tragödie, Komödie und es ist Liebe. Vea Kaiser teilt den Roman nicht nur in Gesänge auf, nein, ihre Sprache selbst ist Melodie, ein sehnsuchtsvolles, poetisches, malerisches Lied erklingt beim Lesen, ein mächtiger neuer Klang der Zeit, der gehört werden muss. Vea Kaiser ist eine begnadete Erzählerin und war ihr Debüt Blasmusik-Pop die literarische Feuertaufe, so ist Makarionissi oder Die Insel der Seligen die literarische Reifeprüfung der 26-jährigen Autorin.

Vea Kaiser: Makarionissi oder Die Insel der Seligen, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Hardcover, 978-3-462-04742-4, 19,99 €.

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