Tocotronic: Tocotronic (Das rote Album) – Album Review

Tocotronic geben Liebe

von Gérard Otremba

Man kann es wenden, wie man möchte, die Indie-Rock-Pop-Formation Tocotronic ist nicht in der Lage, ein schlechtes Album zu machen. Im Gegenteil werden Texte und Musik des Quartetts immer interessanter. Thematisierten Dirk von Lowtzow, Jan Müller, Arne Zank und Rick McPhail beim letzten Album Wie wir leben wollen die Körperlichkeit, so schrieb Sänger und Gitarrist Dirk von Lowtzow für das rote Album Texte über die Liebe mit allen ihren Facetten. Poetisch und diskursiv nähert er sich dem größten Thema des Menschen, ohne eine endgültige Antwort auf die Frage wie wir nun lieben sollen zu geben, geben zu können bei diesem hochkomplexen Stoff. Den verpacken Tocotronic auf dem elften Studioalbum in den schönsten Pop, den die Band jemals komponierte. Das rote Album beginnt mit „Prolog“, einem vergleichsweise dunklen Song, der als Verbindungsstück zwischen Wie wir leben wollen und den neuen Kompositionen steht, bevor „Ich öffne mich“ im gleichsam opulenten wie schwebenden Pop mündet. Die Heilsversprechung des Rock’n’Roll, die ewige Jugend, die Verweigerung des Erwachsenwerdens definieren Tocotronic in „Die Erwachsenen“. Melodieverliebter Pop mit abgehobenen Synthie-Klängen, federleicht und traumhaft schön, mehr Pop geht nicht.

„Man kann den Erwachsenen nicht trauen“, heißt es hier und „Wir sind Babys, sie verstehen uns nicht, wie sind Babys, wir spucken ihnen ins Gesicht“, ein ironisches Augenzwinkern kann sich Dirk von Lowtzow nicht verkneifen, um die Diskrepanz zwischen Elterngeneration und Jugend zu erklären. Und so entzieht sich der „Rebel Boy“ konsequenterweise der Erwachsenenwelt („Ich will keine Punkte sammeln, gib mir lieber ein neues Leben, ich will keine Treueherzen, kannst du mir Liebe geben?“). Das alles im wunderbar zugänglichen Gitarren-Pop, der sich in „Chaos“ zwischen The Smiths und den Go-Betweens einpendelt, ein edles Stück Indie-Pop, große Kunst. Schmucker Songwriter-Pop folgt in „Solidarität“, Streicher inklusive, während Bläsersätze den Folk-Pop in „Spiralen“ aufpeppen. New Wave-Einflüsse zwischen sowohl lieblichen, als auch bräsigen Gitarren dominieren „Sie irren“ und mit fluffigen und zuckersüßen Gitarren-Pop-Melodien verwöhnen uns die Tocos in „Haft“. Schneller und sanft schräger geht es in „Zucker“ zu Werke, aber es bleibt die hohe Pop-Schule von Tocotronic. Bedrohlich entfaltet sich „Jungfernfahrt“ und der grazile Songwriter-Folk von „Diese Nacht“ (plus Hidden Track) beendet das rote Album. So mitreißend und ergreifend kann deutschsprachiger Pop sein. Ein erneutes Meisterwerk von Tocotronic, von Liebe durchflutet.

„Tocotronic“ (Das rote Album) von Tocotronic erscheint am 01.05.2015 bei Universal Music.

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