Wilco: Alpha Mike Foxtrot Rare Tracks 1994-2014 – Album Review

Eine Raritäten-Box, nicht nur für Wilco-Hardcorefans

von Gérard Otremba

Und weil Wilco noch immer die beste Band der Welt ist und 20-jähriges Bestehen feiert, gibt es neben den Essential Tracks 1994-2014 noch eine Zugabe. Die vier CDs umfassende Box Alpha Mike Foxtrot Rare Tracks 1994-2014 versammelt Demotracks, Liveaufnahmen, Soundtrack-Beiträge, Cover- und Remix-Versionen und Songs, die auf Tribute-Alben und Bonus CDs erschienen sind, oder als Download zur Verfügung gestellt worden sind. Darunter befinden sich auch Tracks wie „A Magazine Called Sunset“ oder „Cars Can’t Escape“, die auf Wilco-Konzerten hier und dort in der Setlist auftauchen. In einem 65-seitigen Booklet erklärt Sänger und Texter Jeff Tweedy aufgeräumt, eloquent und witzig einzelne Aufnahmen, diverse Liner Notes und Fotos runden das Heft ab.

Der formidable Wilco-Mix aus Rock, Pop, Folk und Alternative-Country

Die Rare Tracks-Box verdeutlicht ähnlich wie die Essential Tracks-Doppel-CD den Werdegang und Reifeprozess von Wilco, die mit allen möglichen Stilarten jonglieren und Musikgeschichte schreiben. Hervorgegangen aus Uncle Tupelo, nach dem Abgang von Jay Farrar benannten sich die restlichen Mitglieder, von denen nur noch Bassist John Stirratt und eben Jeff Tweedy zum aktuellen Line-Up gehören (Ken Coomer, Max Johnston und er kurze Zeit später eingestiegene und 2009 verstorbene Jay Bennett verließen die Band), in Wilco um und glänzten fortan mit einer explosiven wie formidablen Mischung aus Alternative-Country, Folk, Rock, Pop, Americana, Art-Rock und Rock’n’Roll. Alpha Mike Foxtrot beginnt mit zwei Demo-Homerecordings von Jeff Tweedy, die den spröden Nebraska-Charme Bruce Springsteens evozieren. Die erste CD fängt die Frühphase von Wilco ein und bietet mit den Coverversionen „Who Were You Thinking Of“ (Moby Grape), „Burned“ (Buffalo Springfield) und „Thirteen“ (Big Star) die ersten Highlights. Diverse Liveaufnahmen, darunter das emotional aufwühlende akustische Version von „Sunken Treasure“, und das mit einem Tom Waits-Adept versehene „Blasting Fonda“ vervollständigen den ersten Part der Rare Tracks-Box.

Sensationelle Live- und Coverversionen

Die zweite CD beginnt mit einem Paukenschlag, einer wüsten Punk-Version von „Passenger Side“, live aus dem Fillmore in San Francisco aus dem Jahre 1997, Wilco so derbe wie nie. Die anschließende Live-Aufnahme von „Outtasite“ dann purer Rolling Stones-Rock’n’Roll im Wilco-Gewand, direkt und kompromisslos. Zu den absoluten Höhepunkten dieser CD gehören die Jeff Tweedy-Solo-Darbietung von „At My Window Sad And Lonely“ sowie die Live-Aufnahme von „California Stars“ aus Late Night With Conan O’Brien. Aber auch das fröhlich-urige „Tried And True“ und die Coverversionen „One Hundred Years From Now“ (Gram Parsons) und „True Love Will Find You In The End“ (Daniel Johnston) sind mehr als nur erwähnenswert. Aus dem Füllhorn von entdeckungswürdigen Stücken ragen auf der dritten CD die atemberaubende Live-Version von „At Least That’s What You Said“, das an John Lennon in der White Album-Phase erinnernde „Cars Can’t Escape“, natürlich, allein wegen des Titels, „Bob Dylan’s 49th Beard“, das sanfte „More Like The Moon“ sowie das schmerzhafte „Let Me Come Home“ heraus.

Weitere Songs von überbordender Qualität

Selbstredend hält auch die vierte CD weitere überragende Songs, die Wilcos Status als genialste aktuelle Rockband manifestieren. Seien es die Live-Versionen von „Theologians“, „How To Fight Loneliness“ und „Impossible Germany“, sei es die Ballade „One True Vine“ und der Soul-Rock von „The Thanks I Get“, sei es die Live-Fassung von „I Shall Be Released“ (Bob Dylan & The Band) mit den Fleet Foxes, oder das euphorische „Glad It‘s Over“, alles Songs von überbordender Qualität. Seit gut zehn Jahren kann sich Jeff Tweedy auf seine aktuelle Bandbesetzung Nels Cline (Gitarre), Glenn Kotche (Drums), Pat Sansone (Gitarre, Keyboards), Mikael Jorgensen (Piano, Keyboards) und eben Bassist John Stirratt verlassen, eine Band, wie sie sonst nur Bruce Springsteen mit seiner E-Street-Band im Rücken weiß. Zu Meisterwerken schwang sich Tweedy mit jeder Mitgliederkombination auf, wir warten auf weitere und die nächste Rare Tracks-Ausgabe in spätestens zwanzig Jahren. Alpha Mike Foxtrott Rare Tracks 1994-2014 richtet sich nicht nur an Wilcojaner, für die die Box ein Pflichtanschaffung darstellt, sondern sollte bei vielen Musikinteressierten großen Anklang finden.

„Alpha Mike Foxtrot Rare Tracks 1994-2014“ von Wilco ist am 05.12.2014 bei Nonesuch Records / Warner Music erschienen.

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Kommentare

  • <cite class="fn">gerhard</cite>

    Warte sehnsüchtig auf mein Exemplar…
    Viele Grüße,
    Gerhard

    • <cite class="fn">Pop-Polit</cite>

      Kann ich nachvollziehen. Musste ich mir am Freitag direkt kaufen und sofort hören…
      Viele Grüße, Gérard

      • <cite class="fn">gerhard</cite>

        Nächste Woche wird ein Fest !!! ;-))

        • <cite class="fn">Pop-Polit</cite>

          Da bin ich mir sicher. Viel Spaß beim Genießen. Übrigens habe ich Wilco zum ersten Mal live als Support von R.E.M. gesehen, 1999 in der Frankfurter Festhalle, wenn schon nicht Go-Betweens zehn Jahre früher… Damals waren Wilco noch nicht wirklich bekannt hier. 2002 in Köln sind sie vor gerade mal circa 80 Gästen aufgetreten… Jetzt füllen sie Hallen mit einem Fassungsvermögen von immerhin 1500-2000 Personen. Wird Zeit, dass sie wieder nach Deutschland kommen, die letzten Konzerte waren 2012, eine halbe Ewigkeit und Tweedy solo war diesmal im Norden nur beim RS-Weekender, ging zeitlich nicht. Viele Grüße, Gérard

          • <cite class="fn">gerhard</cite>

            R.E.M. + Wilco: auch keine schlechte Kombination. Ich hab Wilco leider erst einmal gesehen, 2011 im Circus Krone, war ein klasse Konzert, sehr intensiv, dank Nels Cline teilweise auch unerwartet krachig, Ein schöner Kontrast zu den sehr sauber durchproduzierten Platten. Hätte sie gern öfter gesehen, ging sich aber zeitlich mehrfach – ärgerlicherweise – nicht aus.
            Viele Grüße,
            Gerhard

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