Trümmer: Trümmer – Album Review

Die neue Indie-Rock-Hoffnung

von Gérard Otremba

Sie sind „immer noch jünger als man es verkraftet / Mit Träumen und Wut bestens bewaffnet“. Für den elften Song „Macht“ ihres Debütalbums Trümmer dichtet Sänger und Gitarrist Paul Pötsch diese Zeilen und man hat es bis dahin längst kapiert. Der selbstbetitelte Longplayer des in Hamburg lebenden Trios hinterlässt mächtig Eindruck und verbindet die ehemalige Hamburger Schule von Tocotronic, Blumfeld und Die Sterne mit Bands wie Ja, Panik oder Franz Ferdinand. Zusammen mit Bassist Tammo Kasper und Schlagzeuger Max Fenski, bei der Plattenaufnahme von weiteren Musikern unterstützt, stürzt sich Paul Pötsch in einen betörenden und fesselnden Indie-Rock und feiert das Leben als endgültige Jugenderklärung mit philosophisch-poetischem Ansatz. Trümmer sind jung und geistreich, ihnen gehört die Welt. Und in jedem der dreizehn Songs fabuliert Pötsch Textzeilen, die als Slogans herhalten können, man kommt kaum hinterher, sie alle aufzuzählen. Im gewaltigen und doch so melodiösen Opener „Schutt und Asche“ beispielsweise: „Denn vor uns liegt immer noch mehr als hinter uns“. Verständlich, im Alter von circa 20 Jahren. Im atemlosen und losgelösten „Die 1000. Kippe“ transportieren Trümmer das Ai Weiwei-Zitat „if you want to fuck the system, you have to fuck yourself“ in den Diskurs-Pop.

Die coole „Revolte“ und „Wo ist die Euphorie“ als absolutes Album-Highlight

Ganz cool und lässig dann „Revolte“, ich sprühe es auch gern an jede Wand: „Doch ich starte die Revolte und setz das Land in Brand“. Zwischen gedrosseltem Tempo und ausladender Opulenz changiert „In all diesen Nächten“, mit dem wunderbaren, ewigen Jugendtraum: „In all diesen Nächten sind wir nicht brav, sondern schlimmer / Und wir werden niemals alt, nein, wir bleiben so, für immer, für immer.“ Sie fragen sich „Wo ist die Euphorie“ („Wir sind viel zu schön / Um jetzt schon schlafen zu gehen“) und liefern die Antwort mit diesem Album gleich mit. Denn ob eben jene lakonisch-sehnsüchtige Indie-Rock-Wave-Hymne, ein absolutes Highlight des Albums, oder die sanfte und feierliche Unheimlichkeit von „Nostalgie“, das alles lässt einen mehr als euphorisch zurück. Das polternde „Der Saboteur“ und das aufgekratzte „Straßen voller Schmutz“ („Ich bin eingesperrt und eingepfercht in ein System / Und ich sag es mal so, es ist alles andere als bequem“) bleiben kaum zurück, während „Scheinbar“ den Franz Ferdinand-Groove evoziert, „Papillon“ Blumfeld verinnerlicht und „Zurück zum Nichts“ Tocotronic abfeiert. Im zunächst entspannten, fast melancholischen Abschlusssong „Morgensonne“, der sich zum Ende im atemberaubenden Bombast suhlt, stellen Trümmer die Forderung: „Wir verlangen vom Leben, dass es uns gehört.“ Ich bin sicher, das Leben gehört euch. Trümmer sind Helden, mindestens für diese eine Platte.

 „Trümmer“ von Trümmer ist am 22.08.2014 bei PIAS / Rough Trade erschienen.

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